2016 … so what?

Bald geht es zu Ende das Jahr 2016. Aber Achtung, hier gibt es keinen Abgesang auf das schlimmste Jahr überhaupt, tote Prominete, Terror, Populismus und Co. … das ist nämlich das Leben da draussen. Alles immer ein wenig anders, als auf den ersten Blick.

Dieses Jahr geht zu Ende, das Jahr…

… in dem ich so wenig Sport gemacht habe wie seit 3 Jahren nicht mehr.
… in dem ich so wenig gelaufen bin wie noch nie.
… in dem ich an meinem Sport und an mir gezweifelt habe.
… in dem ich auf sportlicher Ebene traurig, wütend und verzweifelt war.
… in dem ich das höchste Gewicht seit Sport-Beginn verzeichnet habe.

Tja. Voll Kacke, nicht wahr?

Aber es geht auch ein anderes Jahr zu Ende, ein Jahr in dem ich etwas für mich entdeckt habe, was mir geholfen hat. Es geht das Jahr zu Ende in dem ich mich dann dazu durchgerungen habe mich operieren zu lassen, letztlich ohne die vierte Arztmeinung sondern aus einer instinktiven Entscheidung heraus. Das Jahr in dem ich gelernt habe, was mir Sport bedeutet und was er aus mir macht.

Das Jahr in dem ich dank Twitter und inspirierender Mit-Twitterer Yoga für mich entdeckt habe. Seit gut einem halben Jahr praktiziere ich mehr oder minder regelmässig Yoga und habe kaum noch Schmerzen im Alltag, Schmerzen die auch nach der OP noch da waren … beim langen sitzen oder vielen Auto fahren. Rückenschmerzen kenne ich nicht mehr und Verspannungen extrem selten, selbst wenn kann ich sie meist selbst schnell lösen.

Yoga war der Weg zurück zum Laufen. Die OP war nicht die alleinige Lösung. Es hat lange gedauert bis ich wieder beschwerdefrei gelaufen bin, irgendwas war immer. Mal am Bauchmuskelansatz, dann Adduktoren, dann mal auf der linken Seite, dann Richtung ISG … immer Rund um die ehemaligen Schmerzpunkte, nur eben nicht mehr dieser stechende Schmerz.

Je mehr ich Yoga übte und lief, desto besser ging es … und jede Pause, jede Unterbrechung bedeutet einen Neuanfang. Aber ich habe über mich gelernt, wo ich ansetzen kann und muss. Ich bin den natürlichen Prozess gegangen, ich habe die eigene Erfahrung gemacht. Nicht nur die Bücher zur eigenen Behandlung von Verspannungen sondern eben auch die Erfahrung sich selbst mit Yoga auseinander zu setzen.

Hin und wieder stelle ich mir vor, wie ich vor 10 Jahren auf mich heute reagieren würde. Vor 10 Jahren war ich dick, unsportlich, zynisch und der Meinung zu wissen, was ich alles nicht brauche. Ich hätte mein heutiges Ich für einen mächtigen Spinner gehalten, der meint mit seinem Job, seiner Familie und dem sportlichen Getue wohl irgendjemand beeindrucken zu wollen. Und Yoga… sowas ist doch nur was für Hausfrauen, die zu viel Zeit haben.
Die Entscheidung an Yoga festzuhalten, war für mich der erste Weg in ein zufriedeneres Leben.

Yoga ist nicht religiös, aber es ist spirituell – Yoga ist nicht immer Meditation, aber manchmal. Von Meditation hielt mein 10-Jahre-jüngeres Ich sicher noch weniger. Aber auch 2016 hatte ich keine Ahnung was das bedeuten soll, bis ich mich damit auseinandergesetzt habe.

Schon oft habe ich es erlebt – wenn ich mich mit neuen Sachen beschäftige – das es Parallelen zu eigenen Erfahrungen gibt. Auch bei der Meditation, wenn man versteht was sie ist, was sie bedeutet, was sie bewirkt. Plötzlich sah ich klar, dass ich wusste was meditative Momente sind, was es bedeutet Achtsam zu sein. Nicht umsonst ist die Meditation älter als die Religionen – sie ist Teil des menschlichen Denkens, deswegen passiert sie auch einfach so. Ob gewollt oder nicht … nur heutzutage viel seltener, weil wir keinen Müsiggang mehr kennen, weil wir uns optimieren und jede Minute ausnutzen wollen.

Ich erinnerte mich an Situationen, in denen mir diese Erfahrungen genutzt haben und setzte mich mit dem Thema neu auseinander. Für mich der Weg zu schaffen, was ich schaffen wollte. Kein Druck – kein Wollen um jeden Preis, sondern ein hineinhören in den Körper, in den Geist. Was kann ich erreichen, was möchte ich erreichen. Ich habe mich von mir selbst führen lassen. Ich wollte keine Wettkämpfe mehr absagen, ich wollte nicht weiter scheitern, ich wollte etwas erreichen.

Ich habe keine Wettkämpfe mehr abgesagt, ich war überall dabei. Ob die 10er, der Heldenlauf, die Cyclassics oder die beiden Marathons in Berlin und Frankfurt. Nicht wie 2015 – keine Feuerwerke, keine Bestzeiten … nein ich habe gelitten. Aber nur auf den ersten Blick. In Wirklichkeit habe ich alles erreicht was ich wollte.

Es ist nicht immer alles Glitzer-Glitzer. Ich bin nicht das Role-Model für Instagram-Posts oder motivierende Geschichten in sozialen Medien. Ich bin ein Typ, der versucht hat etwas an seinem Leben und seiner Einstellung zu ändern. Der nach einem Jahr des Frustes im Hobby und auch im Job mit der neuen Einstellung neue Wege gefunden hat. Raus aus der Negativ-Falle.

Mir geht es in allen Belangen besser als vor einem Jahr, ich bin sehr viel zufriedener und glücklicher. Ich bin dankbar für das was ich aus den letzten 12 Monaten gelernt habe. Dafür habe ich auch das ein oder andere hinter mir gelassen. Große Ziele, die großen Big-Bangs.

Nicht nur weil ich manche Dinge aktuell nicht möchte, viele Sachen betreffen mich momentan nicht. Ich stelle mein Leben nicht unter das Diktat knallharter Regeln. Mit Aussagen wie „wenn ich nicht gut trainieren kann, würde ich keinen Marathon laufen“ lebt man sein Leben nicht, sondern man lässt sein Leben leben … von Regeln, selbst auferlegten Regeln, als hätten wir nicht schon genug davon.

Was habe ich denn verloren mit meinen Zeiten dieses Jahr? Bin ich jetzt ein schlechterer Mensch weil ich unter meinen Leistungsmöglichkeiten geblieben bin? Bin ich faul, weil ich keine Bestzeiten geschafft habe?

Was für ein Quatsch. Ich bin glücklich und zufrieden, ich habe mehr erreicht als viele andere Menschen und darauf bin ich stolz.

Ich bin der 1. in meiner Klasse: „Typ Mitte 30, Frau & Kind (jetzt schon in der Schule), Haus mit Garten, Laufen und Radfahren“ … und unter diesen Bedingungen laufe ich einen Marathon eben mal in 4:20h … so what? Unter diesen Bedingungen mache ich auch mal eine Woche lang nur Yoga und trainiere nicht, so what? Unter diesen Bedingungen fighte ich aber auch mal einen ganzen Monat lang um 30 Minuten Training am Tag … auch nach 12h Tagen, mehr als 600km auf der Autobahn oder knallharten Meetings … so what?

Und 2017 wird es weiter gehen. So oder anders. Eines ist klar und das habe ich für mich inzwischen klar ausformuliert. Ich kann nicht in allen Bereichen Vollgas geben. Eine Erkenntnis die ich schon aus meiner Zeit als nebenberuflicher Student kannte … es gibt keine Work-Life-Balance … das ist ein sich stetig verändernder Prozess. Heute dies und morgen das. Der Eindruck einer Balance entsteht nur im Augenblick – aber es ist ständig etwas ausserhalb der Balance, irgend ein Bereich steckt in dem Moment zurück. Das muss so.

Manchmal der Job, manchmal das Privatleben, manchmal der Sport – mir ist es wichtig, mein Leben, meinen Geist, meine Einstellung so flexibel zu halten, um das wieder Leben zu können. Das war in der Vergangenheit eine wichtige Einstellung … die ich vor allem durch den Frust im Job verlernt/vergessen hatte. Anstatt Balance zu schaffen habe ich im Sport versucht etwas zu kompensieren, aber ohne Erfolg. Letztlich war ich verletzt und musste auf dem eigenen Weg lernen, was mir hilft, was gut war. Jetzt bin ich wieder da … es ist keines Wegs einfach.

Familie, Yoga, Meditation, Laufen, Krafttraining, Achtsamkeit, Führungsposition, Haus, Garten usw. Das ist nicht einfach, soll es auch nicht sein. Manchmal ist es ein harter Kampf mit mir selbst, aber ganz oft ist es ein super Gefühl etwas geschafft zu haben. Geschafft ist auch 10km laufen zu gehen, geschafft ist an 5 Tagen die Woche Yoga zu üben oder nach einem echt anstrengenden Arbeitstag total locker nach Hause zu kommen.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Bedanken, die mich virtuell bei diesem Prozess begleitet haben. Das sind erstaunlich viele Leute und einen großen Teil habe ich dieses Jahr persönlich getroffen. Das waren sicher mit die schönsten Momente 2016 … das ist auch mein Wunsch, damit 2017 weiter zu machen. Aber auch Danke an alle die das ganze in Echt mit verfolgt und unterstützt haben.

Veröffentlicht in Road.

5 Kommentare

  1. Hallo Daniel,

    ich danke dir für diesen Artikel. Wenn ich das so lese ist es fast unglaublich wie man das immer wieder alles unter einen Hut bekommt. Ich erkenne sehr viele Paralellen und findem ich in fast jedem Satz wieder.

    Dank deiner Worte habe ich mich mal an die Zeit vor 10-15 Jahren erinnert. Wie es damals war. Es war die Zeit in der Sport mal ganz hinten anstand und ich mit mir und meinem Körper nicht unbedingt gut umgegangen bin – andere Geschichte. Unfassbar, dass das nun daraus geworden ist. Durch solche Artikel wie deinem, wird einem nochmals vor Augen geführt das man die Kurve bekommen hat und nun etwas zurückgeben kann, für den Raubbau den man mal betrieben hat.

    Dankbarkeit und dieses glücklich sein haben mittlerweile einen hohen Stellenwert eingenommen. Dadurch wird man automatisch zu einem zufriederenen und „besseren“ Menschen.

    Ich wünsche dir alle Gute für 2017. Bleib achtsam und glücklich.

    Viele liebe Grüße, Eric.

    • Schöne Worte – zufrieden und glücklich sein … schreibt sich so einfach und ist doch eine hohe Kunst. Viel anstrengender als Ultra-Marathon-Training und der andere Firlefanz den wir gerne machen ist es den Geist wach zu halten und darauf zu achten, das was man tut auch bewusst (nicht immer gern) zu tun.

  2. Sehr schön geschrieben. Auch wenn ich mir natürlich ein paar Ziele gesetzt habe, will ich auch versuchen in Zukunft einfach etwas lockerer ran zu gehen. Keine Bestzeiten oder andere Trophäen oder Ersatz-Trophäen mehr jagen, sondern aus Spaß an der Sache dabei sein und einfach mal zufrieden sein, mit dem was ich erreiche.

    Das mit dem Yoga habe ich schon öfter gehört/gelesen. Das hört sich so gut an, ich glaube, ich muss mich mal informieren :-)

  3. Dein Jahr liest sich nach einem bewegten, entdeckungsreichen und vor allem gewinnbringenden Jahr für dich persönlich an. Zufriedener als du es im Vorjahr warst, das las sich wirklich richtig gut. Letztlich ist man es doch selbst und seine Haut, in der und mit dem man glücklich sein muss. Auch wenn das Leben und manchmal auch man selbst ein Kampf ist. Alles Gute auch für dieses Jahr.

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