24h Rad am Ring 2016 im #allebeklopptRacingTeam

Die philosophische Seite meiner Ausdauersportlerseele schaltet sich manchmal ganz spontan ein und wirft essentielle Fragen auf. Beispielsweise wenn man Freitag Nachmittag nach ca. 5h Fahrt auf einem Schotterplatz steht und versucht ein Pavillon aufzubauen… und dann ist da diese eine Frage:

Wieso bringe ich mich ständig in solche Situationen?

Dazu aber später mehr. Ich möchte kurz nochmals zurückblicken, wie die äusserst gut vorbereitete und durchdachte Entscheidung für Rad am Ring eigentlich entstand. Kann man bei Ausdauerbekloppten eigentlich von einer Schnapsidee sprechen? Vielleicht sollte man es eher Endorphinidee nennen. Im Melderausch und ohne sich wirklich im klaren darüber zu sein, was man da tun möchte, werden erstmal noch andere Unbedarfte zusammengetrommelt um sich dann anzumelden.

Michael hatte das ganze in die Hand genommen und auch versucht eine passende Parzelle zu bekommen – ohne Rad am Ring Erfahrung ging es erstmal drum keinen Asphaltplatz zu ergattern, das wir auf Schotter landen war dann kaum zu vermeiden, aber so schlecht war das gar nicht.

Das von den vier herausragenden Bekloppten zwei kurz vorher ihren Saisonhöhepunkt geplant haben, einer eigentlich schon voll im Marathon Training ist und der vierte *hüstel* erst mal 1,5 Monate kaum auf dem Rad saß ist sowas wie das Handicap im Golf – es soll dazu dienen, dass das AllebklopptRacingTeam einfach nicht auf Anhieb mit um den Sieg fährt!

Vorbereitung ist alles

Wer spontan auf die Idee kommt sich bei Rad am Ring zu melden, dem sei gesagt – geht alles, aber der Abendteuercharakter steigt deutlich an. Vor Ort sieht man eine große Menge Profis – und ich meine damit nicht Radsportprofis, sondern Camping-/Rad am Ring-Profis.

Wer sich nur anmeldet, einen Gruppenchat gründet und dann alle paar Wochen mal Quatsch reintippt … eine Woche vorher eine Telefonkonferenz einberuft um dann eine Packliste bespricht wirkt nach aussen vielleicht schon leicht organisiert. In der harten Realität der Grünen Hölle wird aber klar, wie dilettantisch diese Vorbereitung war.

Pavillon, Zelt, Kuchen, Kaffeemaschine, Luftmatratze, Montageständer, Beleuchtung, Müllbeutel & Co. – die Liste las sich bunt, es war aber auch fast alles nötig. Was wir nicht aufgeschrieben hatten war: Fußboden, Kühlschrank oder versteckter eMotor im Rennrad – hätten wir alles gebrauchen können.

Auch der Trainingszustand war – teilweise fragwürdig. Die Strecke hat es in sich, dazu aber gleich mehr.

Wie so oft, wenn man eh nicht so gut vorbereitet ist, gibt es noch genügend andere Dinge die einen ablenken. In der Woche vor Rad am Ring war ich beruflich kräftig unterwegs. Allein schon 2.000km unter der Woche – für den Nürburgring kamen nochmals 1.000km dazu. Allebekloppt nicht wahr?

Ab zur grünen Hölle

Vier Typen in ganz Deutschland verstreut machen sich also auf an den Nürburgring um dort dem Ausdauersport zu frönen. Sie sind fragwürdig vorbereitet und haben sich kaum abgestimmt. Um kurz nach 17:00 Uhr treffen also Thomas, Sascha und ich am Eingang zum Nürburgring ein, Michael hatte Vorsprung und besetzt schon die Parzelle (welche genau war bis kurze Zeit vorher unklar).

Als 4er Team erhält man logischerweise drei Einfahrgenehmigungen. Ich sag‘ mal so – gut wenn einer schon drin ist und mit dem Rad den anderen entgegen kommen kann. So zogen wir gen Parzelle und das Schicksal nahm so langsam einen Lauf.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatten wir den Schotterplatz (SCHOTTER!) schnell in das Heim des weltbesten Beklopptensportteams im Rennradbereich verwandelt. Michaels Pavillon war schnell aufgebaut, nur die Frage wie man darin zu viert übernachtet nicht abschließend geklärt. Nachdem das Zelt von Sascha stand war klar, ein zweites Zelt wird eng – also entschloss ich im Auto zu schlafen, das zum Glück recht nah stand.

Nach und nach wurden die wichtigen Dinge aufgebaut. Ein Baustrahler, heller als ein Flugzeugscheinwerfer, ein Campingtisch mit einer echten Tischdecke (Deluxe!) und eine Elektroverkabelung die jedem mit Sachkenntnis das Fürchten lehrt. Schlußendlich kam noch Wasserkocher und (eines der wichtigsten Geräte neben dem Smartphoneladegerät an diesem Wochenende) Thomas‘ Kaffeemaschine dazu.

Nachdem die Behausung aufgebaut, die Räder hinter dem Zelt verkettet und die ersten Chipstüten geöffnet waren, machten wir uns an die Nahrungszubereitung.

Ich sag‘ eines: so viele mitleidige Blicke wie die der Camping-Profis auf unseren Mini-Einmalgrill hab ich noch nie gesehen. Damit hatten wir uns sicher im ganzen Fahrerlager als absolute Newbies geoutet … allerdings grillte dieses ökologisch fragwürdige Ding ziemlich schnell und ziemlich gut. Ätsch Ihr Camping-Pros!!!

Neben Fernsehern, Kühlschränken und – gefühlt – ganzen Wohnzimmern sah man im Fahrerlager eigentlich nichts, was es nicht gibt. Sogar einen Wohnwagen mit Motor-Doping.

Abends ging es dann noch daran die Startunterlagen zu holen, die irrwitzigen Leistungen der Zeitfahrer zu begutachten (31 Minuten für 22km Nordschleife!!!!!) und das kostenlose Bier zu trinken. Es war ein bisschen wie Klassenfahrt (oder auch Festival) – nur dass der Altersdurchschnitt deutlich höher war. Danach ging es in die Koje, bis gegen Mitternacht ein kräftiger Regenschauer alle aufweckte und Teile des Allebkloppt-Fahrerlagers nachhaltig unter Wasser setzte.

Aber immerhin … solche Dinge bleiben wenigstens in Erinnerung.

24h! 4er Team im Wechselstreß

Nachdem Morgens alles notwendige trocken gelegt war und wir auch ausschließen konnten, dass jemand einen Stromschlag bekommt ging es an die wichtigen Dinge des Lebens. Kaffee! Als Frühstück musste das Wundermittel Kuchen herhalten – das hat mir sehr gefallen.

Das größte Problem war aber eher, die Zeit bis zum Start sinnvoll zu verbringen. Sinnvoll wäre z.B. gewesen eine ausgeklügelte Rennstrategie aufzusetzen, so haben wir lange genug gewartet bis sich die Reihenfolge und Strategie von selbst ergeben hat. Die Reihenfolge war: Sascha, Daniel, Thomas, Michael – und wenn man da mal drin ist, kommt man nicht mehr raus.

Um die Einweggrill-Schmach zu übertünchen stellten wir elegant erstmal alle verfügbaren Montageständer inklusive Fahrräder vor das Pavillon und machten einen wichtigen Eindruck. 12:20 Uhr sollte es losgehen – allerdings liesen wir uns, da wir uns in unserer perfektionierten Planung leider haben ablenken lassen und keiner zum Racemeeting ging, verunsichern. Jemand meinte der Start wäre früher… tja … Fehlanzeige, aber so standen wir bei strahlenden Sonnenschein eben etwas länger im Startbereich um Sascha mental zu unterstützen.

12:20 Uhr ging es los und Sascha rollte auf die erste – noch etwas verkürzte – Runde. Bei mir stieg langsam die Panik, denn der Wechsel sollte ja klappen. Nach krassen 46 Minuten war die erste Runde erledigt und wenige Minuten später übernahm ich von Sascha die Trinkflasche, mit unserem Transponder. Ab diesem Zeitpunkt befand ich mich 100% im Rad am Ring Rausch, den man kaum beschreiben kann.

Im Rausch der Grünen Hölle

Mit allem was ging bretterte ich – noch ohne Streckenkenntnis über die Nordschleife. Tempo bergab, kurbeln bergauf und schön Gegenwind auf der Döttinger Höhe. Die erste Runde fuhr ich am Limit und stand mit 54:51 zu Buche.

Die Strecke ist wirklich der Hammer, nach der Fahrt durch die Boxengasse geht es direkt auf die Nordschleife und damit schon abwärts. Tempo um die 80 Sachen sind da keine Seltenheit, aber es ist super viel Platz (später nachdem die Jedermannfahrer weg waren noch mehr) und der Asphalt ist natürlich prima. In der ersten Runde fehlt mir aber noch das Gefühl für die Strecke und wann welcher Anstieg endet.

An der gefürchteten Hohen Acht komme ich gut durch – wie auch sonst im ganzen Team. Keiner muss absteigen – und es sind doch einige Leute an den Anstiegen abgestiegen.

Die Döttinger Höhe bietet eine wunderbar leichte Steigung mit Gegenwind, ohne Gruppe sieht es da schlecht aus, danach nochmal runter, nochmal hoch und Richtung Zielgerade, danach volle Lotte über den Gran Prix Kurs. Im Delirium übergebe ich die Flasche an Thomas (oder jemand hat sie aus meinem Rad genommen). Ich fühle mich so, als würde ich das sicher keine 24h lang machen.

161er Durchschnittspuls, also eher sowas wie 10K laufen – nach 20 Minuten kehren aber die Lebensgeister zurück und ich war wieder aufnahmebereit (auch für Kuchen).

Apropos Kuchen, es ist nicht nur toll mit 3 bisher unbekannten Sportlern, die man so über Twitter kennengelernt hat so ein Event zu machen, besonders toll ist die Anteilnahme in der Timeline und das wir auch persönlichen Besuch bekommen haben. Nicht nur hat Mr. Rennmops himself den wohl geilsten Kuchen auf dem Nürburgring gebacken, auch die Werwolffamilie war vor Ort und die Coffee & Chainring Jungs kamen auch noch vorbei.

Ich liebe das! Wirklich – das macht diese ganzen Beklopptheiten aus, denn ich hab glaube ich noch nie so viele ganz normale (!!!) Leute kennengelernt wie seitdem ich sportlich etwas aktiver bin. Das tolle ist ja nicht, sie sind nicht nur alle sehr nett, sondern verstehen einen auch. Danke an alle da draussen, dafür dass ihr so verrückt seit wie ich :-)

Runde um Runde

So nahm also das Schicksal seinen Lauf, in einem ständigen Wechsel aus Ankommen, umziehen, essen, trinken und Ruhe suchen, sowie langsam wieder fertig machen fuhren wir zwei Komplette-Einfachturns und wechselten dann – wie geplant – in den Nachtmodus wo jeder 2 Runden zu absolvieren hatte.

Um alles besser zu steuern notierten wir uns die Abgangszeiten, denn die Rundenzeit war schnell klar, irgendwas zwischen 55 und 58 Minuten. Der zweite Turn war bei mir nochmals ziemlich zügig… ebenfalls mit Kotzgrenze und so.

Vor meinem Nachteinsatz legte ich mich etwas in mein Auto – keine gute Idee, denn nach 10 Minuten hatte ich Krämpfe, die ich erstmal zu beheben hatte. Ein bisschen Ruhe hatte ich, aber keinen Schlaf. Vorher genehmigte ich mir eine Portion Nudeln. Etwas warmes ist immer gut.

Dennoch lief es Nachts nicht so wie gewünscht. Während Sascha gut durchkam und meine erste Runde auch noch sehr gut war, baute ich auf der zweiten Runde massiv ab. Natürlich ohne Gel & Co. – braucht man ja auf der kurzen Strecke nicht.

Der lange Anstieg bis zur Hohen Acht wurde zu meiner persönlichen schwarzen Hölle – denn es war schon stockfinster. Ich schraubte mich kraftlos Meter um Meter nach oben, wackelte kräftig aber kam an. Ich hatte nur noch einen Gedanken … Zucker!

Den Hungerast bekämpfte ich radikal mit ca. 1 Liter Cola und … 5-6 handvoll Jaffa-Cakes Orange (heruntergespült mit Cola). Das verfehlte seine Wirkung nicht. Nachts ist da oben Party angesagt, aber dennoch wird man schnell kalt wenn man zu lange steht.

Mit einer Rundenzeit von 1:16h kam ich gut eine Viertelstunde später als gedacht und übergab an Thomas.

Danach wollte ich schlafen, was aber deutlich schwerer war als gedacht, denn mein Puls hämmerte mir derartig in den Ohren, dass ich davon wach blieb. Wie lange ich wirklich geschlafen hab, kann ich nicht sagen, wahrscheinlich um die 2 bis 2,5h, dann machte ich mich ans umziehen, aufstehen und Kaffee trinken.

Die Batteriesäure der Kaffee den Sascha schon aufgesetzt hatte, wirkte Wunder und zusammen mit etwas … naja Kuchen eben, war ich wieder fit für die erste Runde am Morgen.

Abends in die Dämmerung gefahren, Morgens aus der Dämmerung heraus – da hatte ich besondere Zeitfenster, was mit tollen Eindrücken garniert wurde. Die Runde lief ausgeruht erstaunlich gut und so langsam ging es dann schon auf das Ende zu.

Ein Turn stand für mich noch an und ich wollte nochmals richtig Druck geben, aber leider machte mir die fehlende Gruppe plus Gegenwind einen Strich durch die Rechnung.

Wenig geschlafen, viel unter hoher Last geradelt zehrt aber schon an den Reserven, so viel ist sicher.

Als Michael zur letzten Runde aufbrach war uns klar, wir verzichten auf die gemeinsame Zieleinfahrt. Immerhin musste Michael und ich noch mind. 5h+ Rückfahrt einberechnen. Also ging es daran das Chaos geordnet wieder zusammenzupacken und in den Fahrzeugen zu verstauen.

Nie mehr wieder!

Man kennt das, man hat kaum geschlafen – muss noch 500km nach Hause fahren und ist ne Menge Höhenmeter und nicht ganz so viele KM dazu in 24h gefahren. Eigentlich bist du seit 36h wach mit kurzer Unterbrechnung und findest alles blöd.

Da sagt man schon mal was unüberlegtes, wie z.B. dass man so einen Unsinn nie mehr wieder macht.

Allerdings haben wir mit unserem Untraining und der Nicht-Koordination einen 186. Rang von 488 gestarteten 4er Teams erreicht. Nicht schlecht wie ich finde. Mit etwas mehr Leistung und mehr Planung könnte man bei 26 Runden landen und damit besteht sogar die Chance auf einen Top100 Platzierung. Solche Dinge locken.

Zudem zitiere ich zuletzt den Spruch den ich von Ansgar gehört habe: „Erlebnis vor Ergebnis“. Für einen Campingverweigerer wie mich was das schon ein Erlebnis. Wie Festival nur mit Rennrad.

Die Leistung im Team war wirklich der Hammer und es hat richtig Spaß gemacht. An dieser Stelle auch nochmals einen herzlichen Dank an meine drei Mitfahrer.

So wurde schnell aus dem Nie mehr wieder ein, mal sehen. Wichtig ist mir aber dennoch, dass es Spaß gemacht hat … auch wenn die Rückfahrt nicht mehr so witzig war und ich für ein Powernapping anhalten musste, das Wochenende war ein einmaliges Erlebnis.

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10 Kommentare

  1. Ich hab mal zwei Teams beim 24h Rennen in München betreut und auch den Fehler mit den Einweggrills gemacht. ;D
    Ich hab dann sehr schnell den nächsten Baumarkt von einem Helfer plündern lassen und „richtiges“ Material besorgen lassen!
    #amMaterialdarfesNIEscheitern ;)

    • Hey Harald, also nach intensiver Recherche dieses Jahr kann ich mit großer Sicherheit „mehr als man denkt“ sagen :)

      Neben 10ern ohne Tempotraining und 24h-Teamrennen kommt seit neustem auch noch 200km Rennrad fahren dazu.

      Ich zitiere mal eine sehr nette Ausdauersportlerin „Gewonnen und verloren wird zwischen den Ohren“ – besonders gut ist es, wenn dazwischen ein bekloppter Geist angesiedelt ist :)

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