Wenn es um #allebekloppt geht, bin ich bekanntlich ziemlich einfach zu Schandtaten zu vermeiden. Vor etwa einem Jahr hörte ich den Tipp vom Weltkulturerbelauf in Bamberg. Der ist mal was anderes, nämlich schon mal ziemlich exklusiv, denn er findet nur alle zwei Jahre statt. Das letzte mal auch zusammen mit dem Funrun in Bayreuth und damit eindeutig Überschneidungsgefahr in meiner Laufplanung. Diesmal sollte es nicht so sein, der 3. Mai stand an.
Allerdings hätte ich den WKEL beinahe verpasst, denn ich hatte nicht auf dem Schirm, dass dieser Lauf so begehrt ist, das er ratz-fatz ausgebucht ist. Mit langer Vorlaufzeit habe ich mich somit am 1. Oktober für den Lauf gemeldet und ihn auch erst mal fast vergessen. Immerhin hat er ja doch den ein oder anderen Höhenmeter. Insgesamt um die 280 über die sieben Hügel von Bamberg, da kann ja keine Vernünftige Zeit herauskommen. Eigentlich hatte ich ja den Obermain Marathon als ersten Halbmarathon des Jahres mit Bestzeitambitionen auf dem Plan, nur hat sich das durch Infekt leider erledigt.
Weltkulturerbelauf Bamberg – das vorab Brimborium
Wie schon erwähnt, nur durch einen Zufall in meiner Twitter-Timeline erfuhr ich überhaupt davon, dass die Anmeldung für den Lauf offen ist. Schon nach 48h war das ganze ausgebucht. Allein schon dieser Druck hat mich zur akuten Melderitis verführt. Ohne nachzudenken schnell klicken und gut.
Wenn man mal realistisch ist, hatte ich mich zu einem Halbmarathon angemeldet für 36 EUR (!) in der Oberfränkischen Provinz. Dafür gab es ein Shirt (Qualität 3-5 EUR) und einen leeren Starterbeutel. Na gut, ganz leer war er nicht, neben dem üblichen Papier waren zwei Magensiumproben drin. Öhm ja gut.
Dafür hat die Abholung gut geklappt, die außerhalb von Bamberg in einer Lagerhalle zu finden war. Das Problem war eher, das es kaum genügend Parkplätze gab, weswegen leichtes Chaos rund um die Halle herrschte. Dafür ging es innen gesittet zu. Innerhalb von 5 Minuten hatte ich Startnummer und Beutel inkl. Shirt (das mir in S übrigens fast zu groß ist).
Dafür fand, wer noch einen Startplatz suchte, genügend Leute die sich mit Schildern rund um das Areal herumgetrieben haben. Bleibt zu hoffen, dass da niemand auch noch einen Aufschlag genommen hat.
Ach ja, etwas hätte ich fast vergessen. Ich habe am Tag zuvor abgeholt und mit der Familie einen kleinen Ausflug nach Bamberg gemacht. Am Renntag selbst ist das für auswärtige Halbmarathonis nicht optimal. Die Ausgabe schließt um 12:00 Uhr, während der Start erst um 15:30 Uhr ist. Prima für Bambergs Stadtmarketing, schlecht für Läufer.
Ansonsten ist die Planung aber 1A. Es gibt zwei ausgewiesene P&R-Parkplätze (die aber für HM-Läufer, die den 7. von 7 Läufen absolvieren) schon voll sind. Dafür aber kostenlosen Bus-Shuttle im 10 Minutentakt in die Innenstadt. Zudem eine sehr gut organisierte Kleiderabgabe, einen Kinderbetreuungsbereich und Massagen. Also ganz „umsonst“ sind die 36 EUR nicht. Was ich aber bei dem Preis – so viel möchte ich vorweg nehmen – vermisst habe, war eine Medaille.
Über sieben Hügel sollst Du laufen! – Mein Weltkulturerbelauf
Übrigens, das Foto der Startnummernausgabe täuscht natürlich. Am Startnummerausgabetag kann es ja ruhig sonnig und schön sein, am Renntag sah es ganz anders aus. Dank Livecams habe ich regelmässig versucht zu zählen wie viele Leute mit Regenschirmen in Bamberg umherlaufen. Aber genutzt hat es natürlich nichts. Die Wettervorhersage für heute war ziemlich klar. Bei 90% Regenwahrscheinlichkeit galt es nur noch abzuwarten ob es die ganze Zeit regnet oder nur die halbe, aber nass werden war angesagt.
Apropos Webcams prüfen. Genügend Zeit hatte ich ja, denn mit einem Start um 15:30 Uhr kann man Hobbysportler wie mich prima in den Wahnsinn treiben und zermürben. Da ich ja auch nach bald fast 3 Jahren Laufsport GAR NICHT nervös am Renntag bin, nehme ich das easy und locker hin.
Übersetzt heißt es, dass ich als Häufchen Elend ständig neue Klamotten herauslege, 5x meine Schuhentscheidung revidiere und zum 8x die Anfahrtsbeschreibung ausdrucke. Nein – ich bin ehrlich – späte Starts sind mir ein Gräuel!
Irgendwann hat der Gräuel aber auch ein Ende. Meine Frau und mein Sohn beschlossen mit dem Zug nachzukommen, also machte ich mich auf dem Weg nach Bamberg, während es Zuhause nur wolkig war, kam der Nieselregen schon aber der halben Strecke.
Also ab zum P&R-Parkplatz, etwas suchen wo noch die Kiste Platz findet und auf zum Shuttle-Bus. Nach 10 Minuten bin ich schon mitten im Getümmel und muss erstmal die Laufstrecke, wo gerade der Sieger unter den 10,9km Läufern einläuft, queren. Danach ist aber alles gut ausgeschildert. Also, Beutel abgeben und ab zum Start. Das befindet sich nämlich etwas weiter. Dazwischen noch der typische Dixi-Stopp, in Bamberg kein Problem, denn es gibt 0,000 Schlangen (im Zielbereich, im Startbereich schon *g*).
Sehr viel Zeit zum warmlaufen habe ich leider nicht, aber für einen Kilometer rund um den Block hat es gereicht. Danach geht’s schon ins Gatter Starterfeld. Ich stelle mich erst zum 1:45 Schild und fasse mir nach dem Ärgernis beim Citylauf Dresden ein Herz, es diesmal nicht wieder auf Engpässe ankommen zu lassen. Irgendwo zwischen 1:45 und der Spitze positioniere ich mich und nach dem Startschuß passiert erstmal… nix! Klar, alle der ca. 2.500 Läufer müssen irgendwie durch eine 1,5m breite Schleuse. Dennoch habe ich mich diesmal gut platziert, auf dem ersten Kilometer überhole ich ein paar die offensichtlich 2h+ ankommen werden. Dafür aber kein Stau.
Das einzige war mir vom Streckenplan im Kopf geblieben ist, das die ersten 5km richtig fies werden, aber so ein Höhenprofil verschweigt leider manches. Zum Beispiel auch, das 7 Hügel nicht nur 7x hoch sondern auch 7x runter und ein paar davon in direkter Auf-Ab-Kombination.
Ich habe mich im Kopf auf der Ebene auf 4:30 eingestellt. Ob und wie ich das heute geschafft habe? Keine Ahnung, leider war die Garmin Fenix 3 der Meinung, das Bamberg nicht so ihr Ding ist. Sinnvolle Pace-Angaben gab es nicht wirklich, darum habe ich so viele KM wie möglich abgestoppt. Irgendwie war immer mal wieder was um die 4:30 dabei, wenn es nicht gerade haarig wurde.
Und das wurde es erwartungsgemäß ziemlich schnell. Innerhalb von 5km ging es vier Hügel hinauf und drei runter. Der Anstieg zur Altenburg war ein krasses Teil. Ich habe einen Zuschauer gehört, der meinte man sähe es wer Bamberger ist – das waren die Typen die da noch gelaufen sind. Inzwischen habe ich aber genügend Erfahrung um zu wissen, dass auf so einem Stück gehen kaum Zeitverlust bedeutet. Sobald es flacher wurde, ging es wieder in den Laufschritt. Einmal in die Burg, drumherum, Wasser schnappen und ab nach unten.
Hier folgte der längste Downhill im Lauf, aber immerhin 100% auf Asphalt (und geregnet hat es da auch noch nicht so richtig). Also ruhig etwas die Bremse lösen und das erste Mal im WK eine 3er Pace abholen. So günstig bekommt man die nicht so schnell. Die Fußsohlen brennen als es unten nach kurzem Pflaster-Intermezzo schon wieder nach oben geht. Uff – meine Motivation bekommt einen Knick. Beim folgenden Downhill noch mehr, bei Kilometer 7 bekomme ich plötzlich extrem fieses Seitenstechen.
Die Strecke ist ziemlich unrhythmisch. Die Höhenmeter, die Downhills, die Pflasterstücke und engen Kurven. Abwärts versuche ich meinen Oberkörper zu lockern und muss etwas Tempo rausnehmen. Im Kopf ruft schon der Schweinehund ich solle doch mal eine Gehpause machen. Das kommt aber bei meinem Ziel gar nicht in die Tüte. Also quäle ich mich bis es flacher wird und bekomme das Seitenstechen zum Glück los.
Es geht weiter durch die idyllische Innenstadt von Bamberg. Inzwischen ist es schon leicht feucht. Auf dem Pflaster klappt es gut. Enge Gassen, 90° Kurven und absolut 0,00 Streckenkenntnis sorgen für einige Überraschungen. Als nächstes geht es in die Natur. In der Ebene habe ich mich hinter einem Trio bequem gemacht. Da ich einen Kilometer nicht abgestoppt hatte, verlasse ich mich auf mein Gefühl irgendwo um die 4:30 zu liegen. Beim nächsten Kilometer die Klarheit, irgendwie passt es schon.
Es beginnt stärker zu Regnen, was ich gar nicht mal so doof finde. Ich ziehe das Tempo etwas an und laufe auf mehrere Leute auf, bis ich hinter einem Typen herlaufe, bei dem ich einfach Respekt haben muss. Wer mit so einem Laufstil um die 4:30 läuft, ist echt der Hit. X-Beine und die Arme machen deutlich mehr Bewegungen als man das sonst im Laufbuch lesen kann, aber er kommt voran. Der Boost einer Samba-Truppe schickt mich aber weiter nach vorne.
Auf einer langen gerade laufe ich im Tempomat. Ab hier bekomme ich eigentlich schon gar nichts mehr mit. Meine Augen fokussieren auf die Tropfen auf meiner Brille und ich laufe im Tempomat. Ich klatsche Kinder ab, soviel es nur geht. Selbst hier ist ziemlich viel Stimmung.
Am Ende der Gerade geht es eine Brücke hoch und wieder in die Gassen. Diesmal (soweit ich mich erinnern kann) noch kleiner und enger. Mein Tempo prüfe ich gar nicht mehr. Ich verlasse mich nur noch auf den inneren Tempomacher. Hin her, vor zurück, Regnitz queren und wieder, da war ich doch gerade? Die Streckenführung nimmt viel Innenstadt mit, ich lief da aber bereits im Tunnel.
Der Mentaltrick die Kilometer rückwärts zu zählen hilft mir ja immer wieder, aber spätestens bei 18km denke ich nur noch „ca. 15 Minuten, dann endlich hinsetzen“. Ja denkste. Den großen Anstieg hatte ich im Blick, aber das es bei Kilometer 19 nochmals zur Sache geht, hatte ich nicht auf dem Schirm.
Im zügigen Tempo kämpfe ich mich einen Anstieg hoch. Die Passanten die hier zusehen, sehen bestimmt nur noch Leiden. Oben angekommen geht es um eine scharfe Kurve und … ach …es geht weiter nach oben … auf feuchtem Pflaster … und auf der anderen Straßenseite laufen andere Läufer. Wie motivierend!
Aber für 36 EUR wird nicht abgekürzt … da wird gelitten bis zum Ende. Wirklich spritzig bin ich nicht mehr, wie ich mich den Anstieg gar hochquäle. Ich werde von einer Frau in lockerem Schritt überholt. Das hat die sich sicher extra dafür aufgespart … um die Männer am letzten Anstieg moralisch zu zerstören. Bei mir hat’s fast funktioniert. Allerdings muss man der Dame zu Gute halten, dass sie sicher gut 25kg weniger hochzuschleppen hatte.
Oben angekommen, hörte ich das was ich hören wollte. Die Zuschauer riefen „Ab jetzt geht’s nur noch abwärts!“. YEAH! Nicht, dass das sonderlich einfach war – wir reden hier immer noch von Pflastersteinen. Ich war wie in Trance. Tempo geben und wieder nach unten.
Mit jedem Meter wurden es mehr und mehr Zuschauer die mehr und mehr Lärm machten. So etwas habe ich tatsächlich noch nie erlebt. Die Strecke wird immer schmaler und um einen herum stehen hunderte mit Tröten, Pfeifen, Vuvuzelas, Trommeln, Rasseln die einen jeden Meter nach vorne schreien.
Ich bin in Trance, renne wie in einem Tunnel und nehme absolut gar nichts mehr wahr. Anschluß halten, Tempo halten, hinterher kommen… wo ist das Ziel? Keine Ahnung … Laufen! Überraschend schnell taucht es auf, nochmals Gas geben … Magen in Zaum halten und abdrücken. Handgestoppt 1:37:44 … ähm Bestzeit um 43 Sekunden unterboten bei 280HM. Ich bin platt.
Nun gut, platt bin ich auch so nach dem Lauf. Zwei Alkoholfreie Weizen helfen, bevor ich langsam zu zittern beginne. So richtig warm ist es nicht. Also schnell Frau und Sohn treffen, Kleiderbeutel abholen und umziehen.
Flash
Auch danach bin ich noch geflasht. Von der wirklich anspruchsvollen Strecke, von den Stimmungsnestern und vom letzten Kilometer in der Stimmungsröhre. Einfach der Wahnsinn. Über 36 EUR denke ich übrigens nicht mehr nach. So etwas habe ich noch nie erlebt!!!
Die Organisation ist wirklich sehr gut. Die Stadt ist immer einen Besuch Wert und flach und geradeaus laufen kann man ja fast überall. Dazu kommt das wunderbare Gefühl, etwas getan zu haben, wo ich doch sonst nach den Wettkämpfen meist keinerlei Probleme hatte, ging das Laufen nicht mehr so dolle.
Jetzt ist der Funke wieder übergesprungen. Nächste Woche geht es beim Maisels Funrun nochmals auf die 21,1km – diesmal aber flach und mit konstantem Tempo. Runalyze ist sowieso der Meinung, ich hätte mich heute kaum angestrengt. Mein Trainings-Stress-Level ist minimal negativ, also Morgen schon wieder alles OK.
Na dann, erst mal hab ich mir mit der Familie bei McDonalds einen fetten kcal-Einlauf gegönnt und danach ging es zufrieden und glücklich nach Hause. Weltkulturerbelauf, du bist wirklich Spitze.
Das Schöne an solchen Läufen ist doch ihre Einzigartigkeit. Während das Drumherum sich ziemlich unattraktiv anhört, glänzt der Lauf selbst dann doch mit Spannung.
Schön beschrieben!
So ist es, kein Wunder das es nur alle 2 Jahre ist. Fast die komplette Innenstadt ist von 11 bis 19 Uhr dicht. 7 Läufe über alle möglichen Distanzen, da ist für jeden was dabei.
Aber das die Zuschauer so lange aushalten ist wirklich der Wahnsinn. Die standen teilweise im Regen und machten Stimmung ohne Ende.
Am „Mythos“ ist schon was dran.
Liest sich nach einem erfolgreichen HM mit Höhenmeter – Chapeau! Super, dass du so ein Tempo auf die Pflastersteine knallen konntest, die hasse ich mittlerweile übrigens auch wie die Pest …
Kleine Rundherum, großer Lauf, was will man mehr? Glückwunsch zu der Leistung und deinem Muskelkater ;) Weiß man schon etwas zur Größe?
Liebe Grüße,
Markus
Sagen wir so, er ist vorhanden (der Muskelkater). Ich „leide“ ja normalerweise darunter, das Gefühl zu haben mich beim WK nicht besonders angestrengt zu haben. Muskelkater o.ä. normalerweise quasi Fehlanzeige. Ich habe auch schon einen Tag nach dem WK Tempoeinheiten gelaufen.
Bekanntlich ist es bei Späteinsteigern oft der Kopf, der die Leistung limitiert. Auch diesmal war das keine 100% Leistung – denn meine Ruhepuls heute war genau so hoch wie die ganze Woche.
Zugegeben, ich habe letzte Woche auch nur 1 Ruhetag gehabt – aber etwas höherer Puls hätte ich schon erwartet.
Als Ausgleich tut mir aber immerhin das Geläuf weh und die Garmin Fenix piept mich schon zum dritten mal zum Inaktivitätsalarm :D
„Bekanntlich ist es bei Späteinsteigern oft der Kopf, der die Leistung limitiert. “
Wirklich? Ist das so? Dann habe ich ja noch ein paar Reserven. Auf geht’s – Sub3 in Frankfurt! LOL….
Ja, Stichwort „Central governor“ – das Hirn verlässt seine Wege eben deutlich langsamer als der Bewegungsaparat oder der Kreislauf. Man sagt ja auch, dass man sich ca. 5-7 Jahre im (spätberufenen) Laufsport deutlich verbessern kann. Bisher ist bei mir was dran.
Respekt vor Deiner Leistung! Und das bei der Strecke! In Freiburg bekommt man zum selben Preis übrigens kein Shirt dafür aber eine Medaille. Das mal am Rande.
Ein packender Bericht, bei dem ich das Gefühl habe, mitgelaufen zu sein.
Dann wohl in 2 Jahren wieder, oder?
Danke! Wenn ich dann Ende nächstes Jahr die Anmeldung nicht vergesse, bin ich wieder dabei. Aber inzwischen hab ich mich ja beim Newsletter registriert ;-)
Eines hab‘ ich übrigens in der Leistungsaufzählung vergessen. Es gibt für jeden Läufer einen „Kloß mit Soß'“ … den hab ich allerdings ausgelassen. Der zählt bei den 36 EUR noch mit :-)