Achtung Baustelle – dieser Sportler wird gerade renoviert

Trifft man als Autofahrer auf eine Baustelle, dann bedeutet das im Regelfall mehrere nicht besonders verlockende Dinge. Warten, Umweg fahren oder über eine unbequeme Rumpelpiste schleichen. Keiner mag Baustellen – ausser vielleicht die Baufirmen, die damit ihr Geld verdienen.

Hinterher sind wir dann alle froh. Die Straße ist breit und eben. Kein Schlagloch behindert die Fahrt. Danach denkt auch kaum jemand an die Baustelle zurück und alles ist gut. Diese Metapher kann man – besonders an Deutschen Straßen – aber auch weiter spinnen.

Die nagelneue Straße wird benutzt, täglich, ständig. Der Unterhalt kostet Mühe und wenn man es richtig machen will dann muss man bald schon wieder absperren. Die Straße prüfen und ggf. hier und da nachbessern. Kontinuierlich.

Genau so wie am Sportlerkörper.

Bei mir herrscht aktuell Baustelle. Nicht, dass ich von Warnbaken und Absperrbändern umgeben wäre – aber mental habe ich mir eine Umleitung verpasst. Sämtliche Laufwünsche sind immer noch umgeleitet. Alles was so über- und unterhalb meiner Hüfte ist wird aktuell erneuert oder wieder in Schuß gebracht. Und an manchen Stellen versuche ich das ein der andere Update zu installieren.

Nachdem ich meine Talsohle durchschritten hatte, musste die Energie und Motivation irgendwo hin. Aktuell lenke ich sie in den „Umbau“ meiner Infrastruktur.

Nachdem ich dem Natural Running lange zugetan war, habe ich die letzten 1,5 Jahre doch einige wenig natürliche Schuhe ins Programm aufgenommen. Auch Zuhause so oft wie möglich Barfuß zu laufen hatte ich in den letzten 2 Jahren verschlissen.

Hier habe ich mich sehr schnell berappeln können. Der Aufwand ist marginal. Zuhause bleiben die Schuhe im Regal. Dazu habe ich auch im Freizeitbereich aufgerüstet. Die Merrell Vapor Gloves bieten neue Anreize, damit zu laufen könnte ich mir allerdings nicht vorstellen. Auch sonst nehme ich jetzt bewusst mal wieder die 0mm Sprengung.

Auch der ein oder andere Bewegungsablauf geriet in letzter Zeit unter die Lupe. Beispielsweise ob meine Beinachsen immer schön gerade sind. Natürlich sind sie es nicht, das ist ein kleiner Teil meines Hüftproblems. Es gibt einige Dinge die ich versuche im Alltag zu verändern – denn dieser führt nun mal alles an, was wir so tun. Die Vorstellung, dass man 23h am Tag ein Lotterleben führen kann und dann 1h läuft und alles gut ist … ja die hatte ich Zwischendrin immer (öfter) mal.

Wenn ich mit jemanden über meinen Sport rede, sage ich gerne und offen, dass das was ich tue keineswegs „gesund“ ist – wie einige das „joggen“ gerne nennen. Es muss nicht ungesund sein, aber es ist nicht per se gesund. Das rufe ich mir inzwischen häufiger ins Gedächtnis um mich damit auch für die Übungen zu motivieren. Öfter aufstehen, richtig stehen und sitzen, beim Autofahren auch mal Pausen machen und bewegen. Viele kleine Bausteine um den Körper nicht im Alltag kaputt zu machen um ihn hinterher mit Sport zu quälen.

Zusätzlich umfasst meine Baustelle noch meine Beweglichkeit. Das hängt auch mit meinem Physio-Programm zusammen, aber letztlich habe ich gemerkt wie gut es tut, sich richtig bewegen zu können. Ich habe inzwischen eine kleine morgendliche Bewegungsroutine um mich locker zu machen, Abends gibt es ein Mobility-Programm um ein paar neu gelernte Blackroll-Übungen (vor allem LWS und Hüfte). Im Gegensatz zum Ausdauer und Krafttraining ist das ganze wenige spektakulär. Man braucht sehr wenig Zeit, aber die Ergebnisse sind erstaunlich.

Und dann ist da natürlich das Stabitraining oder in meinem Fall tatsächlich Krafttraining. Baustelle Nr. 1 (aber in Wirklichkeit greift auch das wieder ineinander). Alle zwei Tage schinde ich mich – alles Körpergewichtsübungen. Dennoch bringen sie mich regelmässig an die Grenzen. Die Fortschritte sind nicht nur spürbar, sondern auch sichtbar.

Diesmal nehme ich den Winter ernst. Ich baue ein komplett neues Fundament für meine Pläne und Ziele und noch nie war ich so konsequent in diesem Schritt. Nicht mal „ein bisschen Stabi“ sondern 30 Minuten Kraft. Nicht mal etwas dehnen, sondern gezielt vorgehen um Dysbalancen zu vermeiden. Nicht nur ein wenig auf der Blackroll turnen, sondern dahin gehen wo es weh tut (und wenn man weiß wie, tut es sehr sehr sehr weh).

Gleichzeitig baut sich dabei natürlich auch ein wenig der Kopf um – es bilden sich Routinen und ich bin sehr zufrieden mit dem was ich erreicht habe. Ich freue mich drauf bald – hoffentlich schmerzfrei – die neu gewonnene Beweglichkeit und Kraft auch beim Laufen spüren zu können. Wenigstens beim Radfahren merke ich bereits was ich erreicht habe.

Die Baustelle steht noch, das Fundament ist gelegt und (noch) baue ich langsam Schicht für Schicht darauf auf. Inzwischen sage ich: Gut, dass ich mir die Zeit dafür genommen habe. Gut, dass ich die beschwerliche Anfangsphase überwunden habe. Gut, dass ich die Laufpause eingeschoben habe.

Bisher habe ich nichts verloren sondern nur gewonnen.

Nun heißt es dranbleiben. Es kann nicht mehr lange dauern, bis auf meiner Straße wieder gefahren werden kann. Dann kommt aber die noch größere Herausforderung … die regelmässige Wartung zu Gunsten des einem oder anderen Stau nicht zu vernachlässigen.

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10 Kommentare

  1. Tatsächlich habe auch ich gemerkt wie sehr ich meine Schwächen unterschätzt habe. Genau aus dem Grund ist für mich neben der Grundlagenausdauer vor allem das Thema Rumpf- und Stabitraining im Winter ein Thema. Ich taste mich so langsam ran. Ich starte mit dem Einüben von simplen Yogaaufwärmübungen. Das zieht sich jetzt schon etwas, aber das muss verinnerlicht werden.
    Erst dann geht es weiter!

    Ich habe große Träume für nächstes Jahr und muss endlich mal verletzungsfrei bleiben.
    Und deshalb ha. Ich meine Familie mit ins Boot geholt, was den Yogakram angeht. So werde ich jetzt jeden zweiten Tag daran erinnert. Dazu lockeres Walken mit meiner Frau, das setzt mal ganz andere Reize und entschleunigt mich total. Mal gucken, wie sich das in den nächsten Monaten so entwickelt.

    Wünsche dir auch eine gute Wintersaison. :)

    • Vielen Dank – der Wunsch geht natürlich zurück. Wenn das Fundament nicht stimmt, ist es immer ein langer Weg.
      Ich merke das aktuell – jetzt kämpfe ich mich 4 Wochen lang voran, gehe einmal laufen und merke, dass ich weitere Zeit brauchen werde. Andererseits öffnet so eine „Krise“ auch den Kopf für neues und man hat auch Zeit um gezielt und langfristig ranzugehen.

    • Ich glaube da schlagen in der Läuferbrust stets zwei Herzen. Ein Herz möchte laufen, laufen, laufen – ein Herz möchte etwas für die Grundlage tun.
      Mir fällt es leicht, da ich nicht schmerzfrei laufen kann – aber weil ich genau das nicht kann … nämlich im Normalfall konsequent sein … stehe ich jetzt wo ich bin.

      Ich habe auch noch etwas Sorge, was ist, wenn ich wieder laufen kann. Einerseits den Weg finden, was ist ausreichend um fit zu bleiben und andererseits nicht den Verlockungen zu erliegen die Zeit lieber in einen Lauf zu stecken.

    • Danke Dir – ich sehe es wie damals mit dem Rennrad. Das Radfahren war ein völlig neuer Anreiz im Spiel. Vielleicht arbeite ich auch deswegen so strikt daran … ich will wieder zurück und ich will das Fundament nutzen.
      Aber nach einem Testlauf zeigt es sich, dass noch einige Zeit ins Land gehen wird, bis ich das auch wieder kann.

    • Das kann ich Dir erst sagen, wenn es funktioniert hat … und bis ich das weiß vergeht noch einiges an Zeit.

      Aber ein bisschen Licht am Ende des Tunnels gibt es schon. Im Alltag oder beim Fahrradfahren bemerke ich Veränderungen. Eigentlich das allein schon ein Anreiz sich um Kraft, Beweglichkeit und Stabi zu kümmern … aber … naja du weisst ja selbst.

  2. Ich finde es sehr motivierend, wie du so konsequent an deinen Schwächen arbeitest. Mit der Flexibilität geht es mir ähnlich wie dir, und ich bin gerade mal 23! Mir fehlt momentan noch ein Striktes Programm, das ich durchziehe aber jetzt bin ich motiviert, die Sache anzugehen.

    • Vielen Dank für Dein positives Feedback. Ich arbeite natürlich auch deswegen so konsequent daran, weil ich Zeit habe … nämlich weil ich vorher inkonsequent war.

      Ein Spruch meines Ex-Chefs blieb mir im Ohr. Vorbereitungszeit verdoppeln – Ausführungszeit (hier eher Ausfallzeit) halbieren. Ich bin mir nicht sicher wie lange ich das aufrecht halten kann. Aber so lange ich nicht laufe, investiere ich täglich in Trainingszeit. Inzwischen bin ich wieder bei 7-10h pro Woche – wie in den Hochzeiten der Saison, nur eben inzwischen 5-6h Kraft/Flex/Mobility und 5-6h Fahrrad.

      Flexibilität ist etwas woran wir alle leiden. Es kommt von unserem sitzenden Lebenswandel. Ich kann Dir das Buch von Kelly Starret „Werde ein geschmeidiger Leopard“ ans Herz legen, oder auch den YouTube Channel von „Strong & Flex TV“.

      Ich habe bspw. die 13-fache Dehnung als Morgenritual eingebaut und mache die ein oder andere Mobility-Übung als Warmup fürs Krafttraining. Zum Abschluss rolle ich dann mit der Blackroll die Bereiche ab, die mir mein Physio geraten hat. So ist schnell mal 1h um – aber hinterher fühlt man sich spitze.

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