dunkel

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meine Laufstrecke im Dunkeln

Was hat das letzte Jahresviertel nicht für tolle Dinge zu bieten? Winterreifenpflicht, Laubbläser, Scheiben abkratzen, Heizung aufdrehen, Zuglufttiere positionieren und … Dunkelheit! Vor und direkt nach der Arbeit – manchmal sogar Zwischendurch.

Dazu ermöglicht dieser Jahresbereich wunderbare Wellnessanwendungen in freier Natur, ganz kostenlos. Natürlich weiß man als Läufer, dass das Wetter bei weitem nicht so schlecht ist wie es  der „Normalbürger“ sieht. Wie oft geschieht es schon, dass man in einer Woche jedes mal bei Regen läuft? Die meisten Trainingseinheiten erlebt man bei tollem Wetter oder Wetter, dass einem toll vorkommt wenn man erst mal draussen ist.

Aber toll bedeutet auch manchmal verrückt, nicht wahr? Zum verrückt werden ist es nämlich dann, wenn sich ein Wetter, das ich akzeptiere, mit einem dass ich hasse gegen mich verbündet. Und eben so etwas passiert vorwiegend im Spätherbst… warum das so schlimm ist aber gleich.

Wer nicht die Gelegenheit hat in der Mittagspause seine Runden zu drehen wird früher oder später zu dieser Jahreszeit im Dunkel dastehen. Dunkel kann ja ganz angenehm sein, als Bier beispielsweise oder als dunkle Schokolade. Wie man sieht, Genußmittel sind öfter mal dunkel. Unter diesem Motto versuche ich mir die totale Dunkelheit bei meinen unterwöchentlichen Laufeinheiten schönzureden. Autosuggestion sozusagen … leider fehlt dazu aber noch das Talent, das Training… oder ganz einfach der Willen.

Anstatt mich zu erfreuen, geht mir jetzt (schon? oder noch?) die Dunkelheit auf den Keks. Andererseits macht mir das Dunkel den selbigen vielleicht weich?

Im Sommer führen mich meine Läufe aus der Stadt hinaus. In das Umland, in die Wälder – ich versuche neue Strecken zu entdecken und alte zu erweitern. Aber jetzt schickt die Dunkelheit mich in die Stadt. Wie eine Motte umschwärme ich das letzte Licht. Allerdings begnüge ich mich nicht damit, ständig nur um eine Laterne zu kreisen … nein, ich eile von Laterne zu Laterne zu Laterne. Immer entlang den Rad- und Fußwegen der Stadt.

Ich durchkreuze die Stadtteile auf alten Bahnstrecken, die zu Radwegen wurden. Die haben wenige Kreuzungen und damit weniger Gelegenheiten überfahren zu werden – immerhin rechnet der durchschnittliche oberfränkische Autofahrer nicht damit Abends um 21:00 Uhr einem Läufer ausweichen zu müssen. Der oberfränkische Radfahrer übrigens auch nicht, aber mit dem kann man sich verbünden. Ohne Licht ist der ebenso gefährdet wie der Läufer. Außerdem bedeutet wenige Ampeln, weniger Chance zu frieren. Es wird nun mal nicht wärmer – und stehenblieben ist manchmal wirklich fies.

So durchkreuze ich Industriegebiete, umrunde Wohngebiete wie Inseln und laufe kreuz und quer. Die Strecken sind nicht schön, sie sind nur lang. Das ist was sie zu bieten haben … lang und beleuchtet. So drehe ich Schleifen, laufe auf und später unter den gleichen Brücken und betrachte die knotigen, zick-zackigen und verworrenen Linien hinterher am Rechner. Ich flüchte durch die dunkle Stadt vor meiner Stirnlampe – vor dem Lauf aus der Stadt – aus Bequemlichkeit und aus Sicherheitsgedanken.

Es ist schon erstaunlich, wie die Dunkelheit und  und die Uhrzeit (20:15) plötzlich fast alle der 71.000 Bewohner dieser Stadt verschwinden lässt. Sie sitzen vor ihren Fernsehern auf ihren Sofas – die mutigen oder exhibitionistischen unter ihnen lassen für mich die Rollos und Gardinen offen, um mir voller Hohn zu zeigen „Ich sitz hier vorm HD-Fernseher und Du armer Tropf rennst in der Kälte umher!“.

Hin und her und sehr oft auf den gleichen Strecken – immer die gleichen Schilder, die gleichen Bänke, die gleichen Industriegerüche. Immer wieder mal Radfahrer mit viel zu hoch eingestellten Lampen… oder ganz ohne. Ich laufe Schleifen um kleine Seen um die Streckenlänge zu erhöhen ohne noch mehr Industrietristesse durchlaufen zu müssen und komme so noch öfter an den gleichen Bänken, die gleichen Treppen und den gleichen Laternen vorbei.
Die armen Laternen … stehen einsam in der Nacht. Während der Normalbürger auf dem Sofa sitzt, stehen sie da draußen und warten auf die irren Läufer, die Hundebesitzer und die angetrunkenen die für wenige Minuten von ihrem Lichtschein kosten möchten.

Sonst scheint sie auch kaum einer zu bemerken. Laternen die im Frühling schon ausblieben … sind es auch jetzt noch. Wahrscheinlich könnte ich meine Laufstrecke inzwischen nach dem Lichtmuster beschreiben. Meine aktuelle Lieblingsstrecke geht in etwa so: hell – dunkel – hell – dunkel – hell – sehr hell (Flutlichtmast vom Fußballplatz) – dunkel – dunkel dunkel … und so sind die kaputten Straßenlaternen das spannendste an diesen Strecken. So lange bis der Schnee fällt oder wieder Vollmond herrscht … so lange markieren sie  meine Laufgebiete in der Dunkelheit.

Aber was hat mein Klagelied zum Dunkel eigentlich mit dem Wetter zu tun? Grundsätzlich erst mal nichts. Irgendwie bekomme ich schon einen Fuß vor die Tür … und mit Musik klappt es irgendwie schon. Sind ja nur noch 4 Monate bis es wieder heller wird ;-) … aber nach einer Trainingswoche mit 3-4 Läufen im DUNKELN freut man sich doch irgendwie auf das Wochenende und dann DAS. Die apokalyptischen Reiter Regen und Sturm haben sich gegen mich verschworen.

Den Regen toleriere ich. Ich komme mit ihm klar. Wir haben quasi einen Nichtangriffspakt. Ich mache ein paar abfällige Bemerkungen, wenn ich im Büro sitzt, dafür verzichtet er weitgehend auf Starkregen und ähnliche Dinge. Nett vom ihm, wie ich finde. Aber ich hasse Wind. Auch im Sommer, wenn der Wind einfach nur heiß ist … irgendwie regelt die ganze Sonne mich herunter und ich grolle nur leise vor mich hin. Aber jetzt … nach einer Dunkellaufwoche … kommt wieder der Rowdy von Wind und stiftet den armen kleinen Regen an mich gemeinsam fertig zu machen.

Sturm von vorne, Regen überall. Meine Windstopper-Jacke hat viel zu tun, aber zusammen mit dem Regen machen sie mir schwer zu schaffen. Der Wind pustet den Regen überall da hin, wo er nicht hin soll … und er nimmt meine Körperwärme mit… vorgestern sogar meine Kappe. Wind ist wie ein Klotz am Bein … und macht langsam. Wind pustet mir um die Ohren, dass ich meine Gedanken nicht mehr verstehe … der Wind wird nie mein Freund sein. Und so schließt sich der Bogen. Die Dunkelheit und ihre Auswüchse gehen mir zwar auf die Nerven – aber dank des Windes verbünde ich mich lieber mir ihr. Nach einer Woche Dunkellauf und der Freude auf den langen am Wochenende wünsche ich mir nichts sehnlicher als einen einfach Lauf entlang meiner Straßenlaternen, ganz ohne Wind.

Man wird eben bescheiden im Spätherbst.

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2 Kommentare

  1. Ich kann das so gut nachvollziehen – immer nur um die Laternen zu kreisen, kommt wahrlich nicht an einen Lauf im Wald heran. Interessant, dass die Laternen nie repariert wurden :-) Ich musste mehrmals schmunzeln beim Lesen – so hat der Wind doch etwas gutes (Du magst den Regen und die Dunkelheit umso mehr :-) )
    Liebe Grüsse
    Ariana

    • Vielleicht sind die Laternen ja über den Sommer wieder ausgefallen, aber manche von denen sind immer noch kaputt. So ist es eben – die Straßenlaternen werden eben öfter beobachtet – die an den Rad- und Fußwegen nicht so.

      Aktuell wiegt aber die Dunkelheit schon kräftig, vor allem da sich – wie jedes Jahr gegen Jahresende – die Arbeitszeit verlängert. Wenn es dann kalt, spät und dunkel ist brauche ich schon mächtig Motivation um da vor die Tür zu gehen. Aber besser als Wind ist es allemal ;-)

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