I have a dream – der Rund um Bayreuth Ultramarathon

Schön pathetischer Titel – wie sich das gehört. In Wirklichkeit alles ganz einfach, ohne Drama und Pomp. Aber für mich dennoch eine große Sache, denn am 13. Mai habe ich mir einen Lauftraum erfüllt. Wie schon vorher beim #OchsenK30 war es diesmal die Umrundung meiner Heimatstadt – laufend natürlich.

Nun bin ich aber sonst eher der Typ, der seine Laufeindrücke sofort ins Blog tippt. Authentisch, manchmal langweilig, manchmal schmerzvoll. Eben so wie es war. Nach dem #RundumBT fand ich aber weder Lust noch Laune das zu tun und dann folgte eine ziemlich unnormale Woche.

Das bedeutet für mich und diesen Blog, das meine Erfahrungen und Erlebnisse nicht zu trennen sind, von den Dingen die in dieser Woche dazugekommen sind. Gedanken über Ziele, Prioritäten, Energie, An- und Entspannung. Eigentlich das worüber ich so oft schreibe. Immer und immer wieder – weil es sich auch immer und immer wieder wiederholt.

Das Ende ist nah

Naja, Ende oder Anfang, alles eine Frage der Perspektive. Dieses Jahr, war der richtige Zeitpunkt zum greifen nah. Das Training für den ZUT Supertrail erfordert mal lange Kanten, der Laufumfang ist hoch und mit Schnaufcast-Flo (der bereits den Lauf im Schnaufcast vertont hat) war der richtige Laufpartner zur Hand. Zu zweit drückt es sich auch leichter. Sozialer Druck – das Trainingsmittel meiner Wahl.

Die Planung der Strecke lief schon länger, grundsätzlich wollte ich mich an den Bayreuther R-Weg halten, andererseits aber auch schöne Streckenabschnitte haben, möglichst wenig Straßen und Abwechslung. So entstand ein Mix aus R-Weg, Jean-Paul-Wanderweg, pragmatischen Abweichungen und einem schönen Trail entlang des roten Mains.

Der Hintergrund der ganzen Übung war für mich, die Umrundung der Bayreuther Stadtgrenzen. Nicht geographisch ganz korrekt sondern schön zu laufen. Letztlich standen nach mehrmaliger Anpassung da ca.  49km. Nicht weil es uns besonders wichtig war uns die nichtssagenden Etikette „Ultramarathon“ anzuheften, sondern eher aus Spaß genau damit zu kokettieren. Was ist schon eine bestimmte Distanz, eine bestimmte Pace oder was auch immer. Schall und Rauch für jeden anderen!

So viele Leute da draußen erbringen mit Job, Familie &. Co. jeden Tag und jede Woche bewundernswerte Leistungen. Sie haben Ziele und Träume. Wie ich eben auch. Die Bayreuthumrundung war erst ein Traum, dann eine Trotzreaktion und dieses Jahr wurde das ganze konkret … zum Ziel. Der Termin stand, die Strecke stand, die Laufbegleitung stand und letztlich hat auch meine Frau Nägel mit Köpfen gemacht. Zusammen mit Flo’s Freundin boten sie zwei erstklassig betreute mobile VPs an.

Kein Traum mehr. Kein Wunsch. Ein konkretes Ziel, das es „nur noch“ gilt zu erreichen.

Dieser kurze Moment, in dem aus dem Ziel Realität wird, dem messen wir oft verdammt viel Aufmerksamkeit bei. Bei uns aber auch bei Pofis. Dort ist es Daily Business – Wettkämpfe interessieren das Publikum, die Vorbereitung blenden fast alle aus. 2:00:25 (egal wie) für einen Marathon ist doch nur die Spitze des Eisbergs. Der Weg ist das Ziel sagt man, dann sollte man doch grundsätzlich auch den Weg mehr schätzen!!

Der (R-)Weg ist das Ziel

Mein Ziel wäre der ZUT Supertrail würde ich antworten, was dieses Jahr denn mein sportliches Ziel wäre. So habe ich es mir ausgedacht, geplant und verinnerlicht.

Wie so oft in der Vergangenheit, selbstverständlich Monate vor dem Tag X, wie sich das gehört. Ich war fokussiert, habe mich vorbereitet, Baustellen aus der Verletzung abgebaut und war bereit. Ich habe trainiert – nach Plan mit Struktur. Etwa zwei Monate lang.

Um dieses Ziel zu erreichen, habe ich andere Dinge reguliert (das klingt wunderbar neutral, nicht wahr?). Der ZUT Plan ist so fordernd, dass ich mich entschlossen habe dieses Jahr meine zweite Leidenschaft – das Fahrrad – hinten an zu stellen. Prioritäten setzen. Man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Die Familie und der Job sind nicht verhandelbar, die eigene Freizeit schon.

Alles ist und war auf den 17.06.2017 ausgerichtet. Supertrail – 63km um das Zugspitzmassiv. Mehr, härter, länger als alles andere je dagewesene – und ich sagte das die letzten Jahre oft. Ich hab Schiss! Aber Flo und ich haben uns vorgenommen das Ding zu rocken. Da isser wieder der soziale Druck. Was soll da schon schief gehen.

Dabei blendete ich so viel aus, METM, WKEL, Wings for Life – dann Rund um Bayreuth, Karwendelmarsch und Kreuzberg50.

Auf einmal wird der große Traum vom R-Weg so klein zwischen diesen ganzen anderen Dingen. Das hat er nicht verdient. Nichts davon ist klein. Nichts davon fällt vom Himmel und ist selbstverständlich!!

All das hinterlässt mich sehr zufrieden und voller stolz auf das Erreichte. Der METM ist die größte mentale Leistung die ich je erbracht habe, der WKEL war körperlicher Kampf auf hohem Niveau, der Wings for Life Run das sicher krasseste WK Erlebnis seitdem ich 2015 vor ca. 2 Jahren beim Heim-HM aus Versehen 1:35 auf HM gelaufen bin.

Jeder Tag war wunderbar, hat mich glücklich und zufrieden hinterlassen und darauf sollte es ankommen. Das sollte das Ziel sein, konstant Leistungen zu erzielen, die einen zufrieden hinterlassen. Zufrieden heisst nicht immer Happy, grinsen, Instagram-Kitsch und Friede Freude Eierkuchen – Selbstkritisch sein ist OK, aber am Ende des Tages im erlebten Versöhnliches finden tut sehr gut. Darum geht es.

Rund um Bayreuth Ultratrail – RUBUT

Und so möchte und werde ich auch den 13.05.2017 im Gedächtnis behalten. Ein grandioser Tag, der mich wieder viel gelehrt hat über mich selbst. Der meine Grenzen verschoben hat, der Spaß gemacht hat. Der mir gezeigt hat, was mir wichtig ist. Der verbindet. Der Weg von meinem ersten R-Weg-Blogbeitrag bis zum 13.05. – der war das Ziel. Ich habe mich verändert.

Wie so oft beginnt alles mit dem Ausrüstungscheck. Na gut, eigentlich mit dem Wettercheck. Ich habe mich entschlossen mit bescheidener Ausrüstung zu starten, während mir Flo per WhatsApp mitteilt, dass er gedenkt in der Bayreuther Perepherie mit ZUT Pflichtausrüstung zu laufen. Übersetzt für Normalbürger bedeutet das … Stöcke (in seinem Fall nicht zusammenfaltbar).

Ich verweigere mich – packe die Karte noch in Papierform ein, 3 Riegel, Tücher, Regenjacke, Powerbank, Kamera und iPhone. Dazu 1 Liter Getränk und fühle mich damit bestens gerüstet. Dank sozialen Druck rüste ich allerdings ca. 3 Minuten vor Start nochmals nach und packe tatsächlich meine Faltstöcke ein. Eine sehr gute Entscheidung. Danke Flo!

Um kurz nach 10 laufen wir los. Die Streckenrichtung ist mit dem Uhrzeigersinn geplant. Am Anfang und am Ende schöne Trails, den größten Anstieg noch vor der magischen 30. Meine Uhr ist gefüttert und die mobile Versorgungstuppe hat Orte und Zeitfenster für die beiden mobile Verpflegungspunkte. Es wird Cola, Snickers, Kuchen und Salzgebäck geben. Das ist Liebe!

Lauf im Forrest … lauf!

Wir durchqueren mein Wohngebiet unter den ersten kritischen Blicken der Leute die zum Bäcker gehen. Wir sehen wohl ziemlich alpin aus.

Nach wenigen Metern treffen wir auf den R-Weg. Ich treffe zu dem Zeitpunkt übrigens die Entscheidung das heute kein so guter Tag zum laufen ist. Schon beim Aufstehen waren die Haxen müde und zäh, der Puls hoch … aber sozialer Druck und so.

Die ersten Trails folgen, Übergangsteil und das Treffen mit dem Totemtier dieses Laufs. Eine räudige Katze am Wegesrand. Etwas vorher wurden wir mitten auf dem Trail von einer Turbokatze überholt. Es sollten noch mehr Tiere folgen.

Wir quatschten über dies und das und folgten dem R-Weg in ein schönes Trailgebiet. Abwärts, aufwärts, Flowtrails. Schön auf Kurs … und wie das so ist – ZU SCHNELL. Also wenigstens für mich. Flo, der nach seinem grandiosen Marathondebüt, eine super Form hat, hat stets etwas mehr Reserven als ich.

Wir laufen durch ein Wohngebiet, verheddern uns, queren eine Wiese und sind wieder auf Kurs zum roten Main. Den Part habe ich nachträglich eingebaut. Schön in den Rotmainauen laufen, am Fluss entlangschlängeln. Hat was. Als Wegpunkte gebe ich einen Holzbieber aus … nennen wir diesen Teil doch einfach Biebertrail.

Wir sind gut in der Zeit (also zu schnell), es ist etwas wärmer aber am Himmel sieht man in der Entfernung Wolken die sich türmen. Naja, alles weit weg. Nach der Flachetappe geht es Richtung Siegesturm bergauf und auf schöne Trails rund um die Hohe Warte. Wir verlaufen uns einmal gezielt, weil der Trail viel toller aussieht als die Waldautobahn. Ja am Anfang so eines Laufs ist man noch experimentierfreudig. Es hat sich gelohnt. So langsam nähern wir uns dem ersten VP und gucken nicht schlecht als da nicht nur ein Auto sondern ein kleiner Tisch mit allen Leckereien steht.

Da es aufgeklart hat ist es jetzt schon sehr warm. Also Cola und Wasser tanken, Zucker nachkippen, etwas quatschen und dann geht es auf die städtischste Etappe. Über die Autobahn, durch einen Ort und dann wieder über Hügel mit super Blick über Bayreuth. Die Stöcke benutze ich zu diesem Zeitpunkt schon regelmässig, immerhin gehen wir alle Anstiege wie es sich für einen Ultratrainingslauf gehört.

Die Strecke ist abwechslungsreich, in diesem Bereich bin ich noch nie gelaufen. Ich werde etwas stiller und merke… das wird für mich noch ein langer Tag. Dann der Anstieg zum Bayreuther Golfplatz, wir werden von Regentropfen überrascht und ziehen den Berg etwas schneller durch, aber das Wetter hält sich im Zaum.

Es geht nach oben, oben, oben. Flo übernimmt die Führung und zieht ganz schön davon. Ich hänge dran wie (Achtung Fränkisch) „Der Ratz am Bressagg“. Während Flo sich ein Gel reinzieht meine ich keines zu brauchen. Super schlau der Herr… super schlau. Noch etwas bergauf und dann den Hügel wieder runter über super schöne Trails. Leider traue ich mich nicht hier laufen zu lassen, immerhin bin ich die Woche vorher mit rechts umgeknickt und jetzt nochmals umknicken … das wäre fatal.

Ich spüre wie ich Flo ziehen lassen muss, aber immer wieder schließe ich etwas auf – auch auf dem folgenden Asphaltstück. Während ich kein Wort rede habe ich das Gefühl quasi auch keines mehr denken zu können. Ich habe Durst, aber bis zur nächsten Verpflegungspause reicht es nie, da nichts mehr zu trinken da ist will ich auch kein Gel mehr, ich will nur noch eine Pause. Flo rechnet mir vor, wie lang es noch bis zum nächsten Kuchenstop dauert, während wir wieder am roten Main entlanglaufen. Der Stecker ist inzwischen gezogen, selbst beim gehen mit den Stöcken geht nichts mehr. Über uns  zieht ein Gewitter auf – noch 20 Minuten bis zum Kuchen.

Quasi endlos fühlt es sich an, bis wir in Kamerun ankommen. Das habe ich nicht nur eingeplant, weil eine Bayreuthumrundung ohne das Forsthaus mit dem afrikanischen Namen, unvollständig wäre. Dort wartet auch der mobile VP und hat sich im gleichnamigen Forsthaus sicher schon verpflegt.

Über eine Waldautobahn laufen wir das Forsthaus an, noch ein Anstieg. Da sitzen sie, Cola, Salzbrezeln, Kuchen, Wasser … achja… und die Frauen. Das gute in der Situation ist, mir war klar, dass ich nur eine Pause brauche und dann auch weiter laufen kann … an aufhören hab ich nicht gedacht.

Nachdem ich mich mit unzähligen Kalorien aus o.g. Kombination befüllt hatte, begann es zu regnen. Perfekt den Stop etwas zu verlängern und den Regenguss abzuwarten. Wir verabschiedeten uns und traten den Abschluss an.

Die Routenplanung war dabei etwas übermütig, so dass wir ein paar hundert Meter neben dem Autobahnzaun Offtrail unterwegs waren, danach ging es schon wieder bergauf. So langsam merkte ich zwar, dass meine Kräfte zurückkehrten, aber dynamisch war an mir nichts mehr. Laufen wo es ging, gehen wo es notwendig war. Zwischenzeitlich liefen wir sogar auf der Eben mit den Stöcken, weil es nicht nicht lohnte sie wegzupacken.

Flo fragte mich ob wir abkürzen wollen. Nicht dass das an der Stelle sinnvoll gegangen wäre (maximal HM Vermeidung) – ich wollte nicht. Wie ich wohl ausgesehen haben mag, bei der Frage? Der Abschluß sollte über die „Toskana-Trails“ und meine sonstigen Hometrails führen. Das lasse ich mir nicht nehmen.

Wir bogen auf die Hometrails ab und liefen so spritzig wie nur möglich. Schön, dass man noch die Beine über die Wurzeln bekommt. Über den Buchstein noch ein paar nette Trails nehmen und dann bogen wir schon Richtung meines Viertels ab. Die 50km hätten wir nur mit Schleifen vollbekommen und dazu war mein Gemüt nicht gefestigt genug.

Also … zurücklaufen, das Projekt war sicher geschafft, denn was sollte jetzt noch passieren. Die Über-Marathon-Grenze (wie auch immer man sie nennen will) war geschafft. Noch nie war ich so weit und so lange laufend unterwegs. Fast 49km, ca. 1.000 HM und 5,5h Bewegungszeit. Das alles für einen Traum … für den Weg dahin … für das Dazwischen.

Nachspiel

Es bleibt aber mehr als ein Haken auf einer Bucket-List, als ein realisiertes Sportprojekt oder ein erfüllter Traum.

Dieses Ding hat mir gezeigt, was ich an dem ganzen Brimborium so mag, ich mag wie mich das alles verändert. Wie ich nach so einem Lauf nicht mehr der gleich bin wie vorher und wie mein Vergangenheits-Ich niemals hätte verstehen können was ich heute tue.

Es war ein unglaublich tolles Gefühl so eine Idee zu entwicklen, sie irgendwann auszusprechen und sie zu realisieren. Gerade am letzten Schritt hapert es doch viel zu sehr. Wir alle haben sie, Idee, Träume … ganz verrückte und gerade die, bei denen wir wissen, dass so viele Menschen um einen herum die Augen verdrehen, wenn man sie ausspricht.

Ich bin unheimlich glücklich darüber, dass ich ein Umfeld habe, dass „ja bitte“ und nicht „nein danke“ ist. Das ich über das Internet tolle Menschen kennengelernt habe, die irgendwie sind wie ich und auch wieder nicht. Menschen die auf meiner Wellenlänge funken. Menschen die auf solche Idee nicht damit reagieren, was alles schief gehen könnte, sondern die Fragen stelle damit man es schafft.

Und da sind auch Menschen, die diese Leidenschaft teilen, die sich ins Auto setzen, die zu einem kommen und dann einfach loslaufen. Danke Flo, dafür dass Du spontan zugesagt hattest, dass Du meinen Traum mitverfolgt hast und mich im richtigen Moment daran erinnert hast, das Ding umzusetzen! Danke für die Begleitung, die Unterhaltung und für das Ziehen. In dem Loch nicht alleine laufen zu müssen, war mir viel Wert!

An dieser Stelle bleibt nur noch eines zu sagen, lebt eure Träume – vergrabt sie nicht sondern sucht sie wieder raus, guckt wie ihr sie umsetzen könnt. Sprecht sie aus und macht sie zum Ziel, lasst sie lebendig werden und scheitert von mir aus daran, aber versucht es wenigstens. Egal was passiert, man lernt stets etwas Neues über sich und das finde ich gut!

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