42.einsneunfünf Laufblog aus dem läuferischen Mittelfeld

Laufsucht – ich doch nicht!

42.einsneunfünf Laufblog aus dem läuferischen Mittelfeld

Petra Bork / pixelio.de

Juhu – ich hab meinem inneren Schweinehund einen Tritt verpasst und mich aufgerafft“ – so oder so ähnlich sind doch die Gedanken, wenn man sich dazu durchgerungen hat mit dem Laufen anzufangen. Sprich, am Anfang verblüfft man sich ja meist noch selbst. Vielleicht auch deswegen weil man mit den ersten Geh… ähm … Laufversuchen lieber erst mal Undercover bleibt. Irgendwann kommt man selbst damit rüber (weil man – zu Recht – stolz darauf ist) oder das Umfeld kommt auf den Trichter, dass irgendetwas anders sein muss.

Undercoverläufer & Elche

Ich glaube, nicht nur mir ging es so, dass der Laufsport den ein oder anderen „Kollateralschaden“ mit sich bringt. Je weniger Sport man vorher getrieben hat um so schlimmer ist es. Unter dem Motto „Die schlimmsten Kritiker der Elche, waren früher selber welche.“ wird man ja schnell als Ex-Bewegungsmuffel zum Extremisten und wundert sich über Ess- und Bewegungsgewohnheiten von Leuten, die so aussehen wie man selbst vor ein paar Monaten Wink.

Aber selbst wenn man sich dezent zurück hält, irgendwann kann man es nicht mehr verbergen. Man nimmt etwas ab, oder wird wenigstens an Stellen straffer, die früher ein Opfer der Schwerkraft waren. Teilweise steigt der Elan, bei manchen unterscheidet sich der Hautton auch plötzlich von dem eines Whiteboards. Manchmal wird man aber auch am Esstisch ertappt – weniger fettes Zeug, dafür aber viel schlaue Sprüche über Kohlehydrate und Eiweiss. Spätestens dann folgt das Outing!

Du, ich muss Dir was sagen: … ich bin Läufer!

Fernab jeglicher Grabenkämpfe ab welchem Tempo man nun Läufer oder Jogger ist – wenn man von seiner Umwelt enttarnt wurde ist man Läufer. Immerhin ist man ja als subversives Element aufgefallen … anders als die Andern. So jemand, der sich den Wecker früher stellt um sich anzustrengen oder bei Minusgraden vor die Tür geht. Menschen die schwitzen und rennen bis sie k****** und sich nicht dran stören. Leute die mehrere Stunden hinter- und nebeneinander her laufen und dabei auch noch Autostrassen blockieren. Oft außerhalb der durchschnittlichen Komfortzone.

Ich habe beobachtet, dass Anfangs eine gewisse Verwunderung und Neugier herrscht. Vor allem, wenn man in dem entsprechenden Umfeld der erste Läufer ist. Außenstehende und Nicht-Läufer sind vor allem von den Kilometerangaben fasziniert. Ob man 10km in 45 oder 75 Minuten läuft ist ihnen total egal – aber je mehr um so besser. So bald ich aber angefangen habe etwas strukturierter vorzugehen und auch meine Läufe in den Alltag integriert habe oder auch mal den Alltag umgeplant hatte, wurde ich verdächtig!

Brauch ich ’ne Therapie?

Irgendwann war es dann mal so weit, dieses Frühjahr – im Sinne einer Intervention wurde ich darüber aufgeklärt, dass Laufen übrigens süchtig machen kann! Nun gut – ich gebe zu, ja – laufen kann süchtig machen. Ich lief da um den Dreh 3x pro Woche insgesamt um die 30km. Konkrete Anhaltspunkte wurden mir natürlich nicht genannt, aber verschiedene Leute lassen diesen netten Wissensbrocken gerne mal im Gespräch mit mir fallen.

Laufsucht

Bildquelle: Andrea Damm / pixelio.de

Okay, vielleicht betrachte ich es falsch und werde zukünftig Gespräche ähnlich beginnen … „Hallo, wie geht’s! Wusstest Du, dass man von Arbeit süchtig werden kann?“

Genau so, wie einige Leute meinen mir erklären zu müssen, dass ich so ungesund aussähe nachdem ich abgenommen habe, mich aber KEINER jemals angesprochen hatte wie ungesund es wäre 40kg Übergewicht zu haben wird es wohl auch in diesem Fall sein. Sich zu bewegen ist schon nicht mehr normal, sondern ein Ausnahmezustand – macht man das ganze dann auch noch strukturiert und regelmässig, kann man eigentlich nur noch Opfer seiner innersten wilden Triebe geworden sein … jemand der noch ganz bei Trost ist, kann das doch nicht freiwillig machen Laughing.

Letztendlich könnte man natürlich auch fragen, ob jemand der 3 Tüten Chips in der Woche isst … Chipssüchtig ist – jemand der statt Rad und Fußweg das Auto nimmt evtl. unter einer Autosucht leidet oder Personen die öfter als 2x im Jahr im Urlaub sind auf eine Urlaubsentzugskur müssen.

Schluss mit dem Quatsch

Dem ganzen setze ich jetzt ein Ende – und die Mutter aller besorgten Bürgerinnen und Bürger … die Apothekenrundschau … wird mein Zeuge sein. Laufsucht … ist Quatsch!

Man unterscheidet zwischen Risikokonsum, schädlichem Konsum und  Missbrauch beziehungsweise Abhängigkeit. Von Letzterer spricht man, wenn  drei der folgenden offiziellen Diagnose-Kriterien erfüllt sind.
1. Starker Drang, das Suchtmittel zu konsumieren

Der Drang ist da, aber stark … nein.

2. Verlust über die Kontrolle des Konsums

Wenn ich dabei die Kontrolle verliere, fliege ich auf die Nase oder verlaufe mich, also keinesfalls!

3. Entzugssymptome sowie Substanz-Konsum, um diese Symptome zu lindern oder zu vermeiden

Na gut, Entzugssymptome lasse ich mal gelten.

4. Toleranzentwicklung, das heißt, dass eine zunehmend höhere Dosis für die gleiche Wirkung benötigt wird

Mist … schon wieder erwischt! … Obwohl, manchmal reicht’s auch wenn ich kürzer aber schneller laufe. Unentschieden!

5. Reduzierung anderer Interessen und ein eingeengtes Verhaltensmuster, um das Suchtmittel regelmäßig konsumieren zu können

Was gibt es schöneres als Laufen! Hey, diese Frage ist unfair!!!

6. Fortführung des Konsums trotz des Wissens um negative körperliche, psychische oder soziale Konsequenzen

Welche Konsequenzen?!?!

Also, man sieht schon – selbst die Apothekenrundschau ist von der zunehmenden Muttisierung der Gesellschaft betroffen. Die Waffe aller Hypochonder und Apothekenstammkunden hat mich also klar der Laufsucht überführt. So Ihr da draussen, die öfter als 3x und mehr als 30km lauft… ihr wurdet enttarnt – jetzt gibt es kein zurück mehr, wir müssen alle in Therapie.

Aber wisst Ihr was, mich persönlich stört das gar nicht – denn eine bessere „Sucht“ (die gar keine ist) als nach dem Laufen kann ich mir gar nicht vorstellen… solange man sozialverträglich bleibt (also nicht zu sehr stinkt!) ist alles im grünen Bereich.

Viel Spaß beim Laufen!

Veröffentlicht in Drumherum.

8 Kommentare

  1. zu dem Thema Sucht habe ich so meine eigene Meeinung und Erfahrungen als betroffener gemacht:
    Sucht ist ein nicht mehr kontrollierbare Handlung d.h. man denkt nur noch ständig z.B. Alkohol daran, Freunde oder Familie sind einem unwichtig und erzählt Storryies, die es gar nicht gibt=Lüge.

    Laufen wird zur Sucht, wenn du eine nach der anderen persönlichen Bestleistung läufst. Am Anfang wirst du das sehr schnell schaffen, aber das geht nur bis zu einem gewissen Punkt.
    Um noch bessere Zeiten zu erzielen fehlt dir der Umfang, die ausgewogene Ernährung oder auch angemessene Ruhephasen.

    sportlicher Gruss

    Volkslaeufer = Peter

  2. Dass es hier nicht um eine echte Sucht geht sollte hoffentlich klar sein – mir geht es mit einem Augenzwinkern vor allem um den inflationären Gebrauch des Wortes als auch mit den „falschen“ Maßstäben die von Aussenstehenden angesetzt werden.

    Deine Definition von Laufsucht teile ich aber nicht – einfach nur seine Zeiten zu verbessern ist keine Laufsucht. Nur weil jemand erfolgreich ist und effizient trainiert ist er noch lange nicht süchtig – zudem dürfte es absolut egal sein wie sich jemand ernährt oder welchen Umfang er läuft.

    Hier mal noch für die ernsthaft interessierten ein Artikel der mir dazu gut gefallen hat.

  3. Für mich ist es schon eine gesunde Art von Sucht, wenn man solange wie ich läuft, dann kann man nicht anders, und wenn man – aus welchen Gründen auch immer – aussetzen muss, dann ist der ganze Kerl unzufrieden – ich wage zu behaupten, ich bin süchtig nach Bewegung – ist das schlimm ?

    • Nein, das ist garantiert nicht schlimm. Gerade deswegen habe ich ja den Artikel nochmals herausgesucht – dort sieht man es ja, dass Leute die wirklich (!) sportsüchtig sind alles nur abspulen und keine Freude an ihrem Sport haben.

  4. Der Begriff ist sicherlich nicht ganz treffend, aber es ist ja klar, dass man sich unwohl fühlt, wenn man plötzlich auf etwas Liebgewonnenes verzichten muss.

    Man ist ja auch nicht schokoladensüchtig, nur weil man es blöd findet, wenn es sich dann mal nicht gibt. ;-)

    Ich denke, dass ein Hobby auch ein bisschen süchtig machen muss, damit es einen erfüllt.

    • Ich glaube wenn ich Schokolade-Essen so passioniert betreiben würde wie das Laufen käme ich nicht mehr durch die Haustüre ;-)

      Aber es ist ja tatsächlich nachgewiesen, dass Laufverzicht wirklich schlechte Laune macht. Bei Schokolade ist es bei mir ja eher anders herum … ;-)

  5. Hallo Daniel,
    das hast Du sehr schön – und vor allem so treffend – geschrieben. Mein Gott, wie vieles von dem was Du in der ersten Hälfte des Textes schreibst kann ich unterschreiben… Man wird seinem Umfeld irgendwie suspekt… ;-)
    Egal – die „Sucht“ Laufen ist jedenfalls deutlich gesünder als das starke Übergewicht und die Bewegungsunlust. Von daher…
    Viele Grüße,
    Thomas

    • Genau Thomas – da bin ich lieber suspekt als übergewichtig. Erst heute ist mir wieder aufgefallen, dass eher das enge Umfeld, dass einen regelmässig trifft misstrauisch wird. Leute die man lange nicht gesehen hat, reagieren meist viel lockerer.

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