Mein Langlauf zu mir selbst?

Hier schreibt er wieder, der Endurange-Typ. Für die Leute die eventuell hier meinem Blog aber nicht meinem Twitter-Account folgen, werden mich vielleicht schon abgeschrieben hab. Blog-Burnout, Overkill, zu viel des guten. Ende im Gelände.

Nee … oder… naja vielleicht schon? Die Frage „Quo vadis Blog?“ spukt mir schon seit einiger Zeit durch den Kopf. Momentan passt es für mich nicht, mir die Zeit zu nehmen, die das Blog und Du als Leser hier verdient habt. Immerhin ist das hier ein Freizeitblog, genau aus diesem Grund gibt es hier so gut wie keine Testberichte und schon gar keine, die man bei mir platzieren kann. Ich lehne solche Anfragen ab – genau aus dem Grund. Ich möchte mir dafür keine Zeit nehmen. Wenn ich etwas in dieses Blog schreibe, dann aus einem Grund – weil ich gut unterhalten will oder etwas zu sagen habe. Im Optimalfall beides.

In meinem letzten schnell heruntergetippten Blog kam es denke ich schon zum Ausdruck ich habe einige Dinge in meinem Leben verändert und andere Dinge veränderten sich dann beinahe von selbst im Nachgang. Momentan genieße ich die regelmässigkeit von Yoga und Meditation und was das mit mir macht.

Es macht ganz entscheidende Dinge und ein Ding davon, hat damit zu tun, dass ich gerade diesen Blogbeitrag schreibe.

Nun ging es zumindest mir so, dass ich im stressige Alltag zwischen Familie, Job und Hobby ein Wort (egal ob nun ausgesprochen oder innerlich) ziemlich häufig verwendet habe. Das Wörtchen „Nein“. Es ist so klein und in vielen Situationen in der Welt dient es dazu Macht auszudrücken. Zu etwas Nein zu sagen ist eine Essenz von Macht. Nein ist auch ein Ende. Damit Ende Ziele und Träume, Pläne und so weiter.

In der Rückschau ertappe ich mich in den letzten Jahren unheimlich oft beim Nein-sagen. Also nicht unbedingt bei Wettkampfanmeldungen, dort wäre das ein oder andere Nein besser aufgehoben gewesen, aber im Alltag und irgendwann im alltäglichen denken und dann… ja dann auch im handeln.

Wie mir geht es sicher mehreren Menschen, was wir alles nicht wollen, können wir sofort aufzählen. Dreht man das im Gedanken um wird es mächtig zäh. Wer ständig nein sagt, gibt dem wozu er nein sagt Raum. Je öfter, desto mehr. Deswegen fällt es uns so leicht herunterzuleiern was wir alles nicht wollen. Hinzu kommt, dass im Überangebot von Reizen, Speisen, Geräuschen, usw. die Anzahl der Neins automatisch steigt. Ständig sagen Menschen Nein zu bestimmten Lebensmitteln. Nein nein nein.

Dieser leicht philosophische Eingang ist mir aber so wichtig, dass ich ihn – obwohl er wenig mit dem was gleich kommt zu tun hat – dennoch mit vollem Herzen anfüge. Denn ich bemühe mich seit einiger Zeit die Nein-Spirale zu durchbrechen. In dem man achtsam dem gegenüber ist, was um einen passiert wird man es auch gegenüber dem was man möchte, was einem Freude bereitet.

Lang lang lang

Rückblick, wir schreiben das Jahr 1997 als ein wenig sportlich begeisterter Typ im Schulsport mal wieder auf Langlauf-Skiern steht. Im Gegensatz zu teilen der Klasse, kann er es aber immerhin irgendwie und kommt nach der Runde mächtig verschwitzt wieder am Kleinbus an. Er ist sicher 1-2x hingefallen und in den normalen Winterklamotten schwitzt er wie ein Schwein. Spaß … wie so oft im Schulsport – Fehlanzeige.

Gelernt hat der Jüngling das Langlaufen vom Vater. Mit relativ alten (in der Erinnerung) ziemlich langen und schweren Ski. Irgendwie hat es funktioniert, im Gegensatz zum Abfahrtsski hat der junge Herr das irgendwie in den Griff bekommen… ausser wenn es abwärts ging.

Knapp 16 Jahre später ist Pubertät & Co. äusserlich abgeschlossen, der Ex-Jüngling hat allerdings einiges an Gewicht draufgepackt. Dünn war er ja nie… aber da. Uff. Zwischenzeitlich war Wintersport tabu (ok, streichen wir Winter-). So langsam beginnt der ehemalige Jungspund mit dem Training und nach und nach erwirbt er sich tatsächlich einen Ruf im Bekannten- und Freundeskreis, dass er „sportlich“ sei. Uiuiui – das hätte der Knabe damals nie gedacht.

Ca. 19 Jahre nach dem Schulsporterlebnis macht er allerlei sportliche Abendteuer und beschäftigt sich (mal wieder) mit Alternativsportarten. Zum Beispiel könnte man im Winter statt Rollentrainer ja auch mal raus, Langlaufen zum Beispiel. Aber in Oberfranken sind die Winter in letzter Zeit eher mau und die Zeit überhaupt und… also fiel ein NEIN. Wozu auch. Wie alle anderen Wintersportarten auch – nein, nein nein.

Nachdem sich das o.g. Erlebnis aber zum 20. mal jährt hat sich etwas verändert. Kein Nein, ein Ja. Es schneit, am Stadtrand wohnend sind die Felder frei für Langlauf in der Wildniss und überhaupt, warum denn nicht? Was soll schon passieren?

Dieser Abriss ist die Kurzform von meinem Verhältnis zum Wintersport. Ich war nie ein Wintersportler gewesen und habe nichts dafür getan das zu ändern. Aber dieses Jahr wollte ich es wissen. Ich spürte den Drang, dass jetzt die richtige Zeit ist wieder etwas auszuprobieren, mal was anderes zu machen, die Komfortzone zu verlassen und auf keinen Fall wieder nein zu sagen!

In einer 5 minütigen Arbeitspause an einem Homeoffice-Tag gab ich sodann die Bestellung für ein Langlauf-Set auf. Etwas breitere klassische Ski um auch selbst spuren zu können, dazu Stöcke und Schuhe. Klamotten bietet der Laufkleiderschrank genug. Zack. 4 Tage später steht ein langes Paket im Haus und ich besitze nach über 20 Jahren zum ersten mal wieder eine Langlaufausrüstung – nun fehlte nur noch die Gelegenenheit loszulegen. Zwischen mir und meiner Komfortzonenerweiterung stand nur noch eine Woche mit viiielen Arbeitsstunden.

Nein? Doch? Nein? Doch?

Aber da war es kurz wieder das nein. Freitag nach einer harten Woche und nach einem erfolgreichen Tag sitze im im Homeoffice. Die Familie ist unterwegs, es knallt die Sonne, kurz nach halb vier. Ich könnte jetzt aufhören zu arbeiten und Langlaufen.

„NEIN“ – ich muss durch die Stadt, bis ich da bin lohnt sich das doch nicht … und ich wollte doch erstmal üben. Jaja, da isser wieder der Gedanke. Allerdings habe ich ihn erkannt und umgedreht. Wann wenn nicht jetzt?

So sieht’s am Golfplatz aus, wenn man dort Langlauf machen kann.

Ich packte meine Sachen, zog mich um und fuhr quer durch die Stadt zum Golfplatz wo eine kleine Loipe gespurt ist. Wie ging das alles noch mal? Ach… keine Ahnung, wird schon klappen. Als ich am Parkplatz stand wich die Neugier den Zweifeln. Ob ich’s noch kann? Was soll schon gross passieren … umkehren kann ich ja wieder.

Ein paar Anlaufschwierigkeiten später und einem netten Abflug bei fast 30 Sachen *ups* lief es gut. Sehr schön, fast 1h in den Sonnenuntergang. Status -> Happy! Tags drauf nochmals – obwohl es nicht so aussah, ergab sich ein Zeitfenster, nochmals eine Stunde, diesmal ganz souverän (und schon mit Muskelkater). Vorgenommen hatte ich mir ganz früh zu starten, damit die Familie nicht beeinträchtigt wird, hatte nicht geklappt, aber für Sonntag dann.

Über den Tag reifte so eine Überlegung und ich sagte mir JA. Raus aus der Komfortzone! Ich plante etwas hin und her, weihte die Ehefrau ein und stellte den Wecker auf früh.

Ochse mit Kopf

5:55 Uhr schlich ich mich aus dem Schlafzimmer, die Sachen waren schon bereitgelegt. Zwei Kaffe und Erdnussbuttertoasts später war ich angekleidet und schlich mich aus dem Haus, es war noch dunkel. Ziel –  das Fichtelgebirge. Ich wollte vor dem Sonnenaufgang auf der Loipe sein und den Ochsenkopf umrunden, das erste mal in meinem Leben auf Skiern und zwei Tage nach der Wiederentdeckung des Langlaufs (mit noch mehr Muskelkater).

Das sollte spannend werden. Also, raus aus dem Auto, ab zur Loipe und es ging los. Den Muskelkater bemerkte ich leicht, aber was solls, hab schon schlimmeres erlebt. Ich beschloss gegen den Uhrzeigersinn den Ochsenkopf zu umrunden, quasi dem Sonnenaufgang entgegen zu fahren. Puh … schon anstrengend dieses Langlaufen.

Es war noch leicht schummrig und so ging es mit der Stirnlampe auf dem Kopf in die Richtung die ich für richtig hielt, habe eben nur nicht so ganz die Schilder gelesen, so hab dich die geplante Abzweigung für den unteren Ringweg (14,5km relativ flach um den Berg) verpasst und fand mich dort wieder, wo ich hin und wieder mal laufe. Tja, ging fein nach oben – aber dafür war ich ja da.

Nachdem ich mich dann noch bei einer zweiten Abzweigung verhaspelt habe, plante ich um. Ich stieg um auf die obere Ringloipe und nach einem kurzen Blick auf die Uhr auf die Gipfelloipe. Jetzt war ich ja schon fast da, nur noch 1,2km bis zum Gipfel. Von dort aus konnte ich abkürzen und trotzdem auf mehr als 10km kommen. Also hievte ich mich noch die letzten Höhenmeter nach oben. Den Gedanken an die Abfahrt habe ich verdrängt… ihr wisst schon … war damals nicht so mein Ding.

Erstaunlicherweise habe ich ja das Langlaufen in 20 Jahren nicht verlernt, blöderweise auch nichts dazu gelernt. Aber irgendwie komm ich da schon wieder runter. Ja eben… statt nein.

oben – als erster aus Muskelkraft (vor anderen Langläufern und Tourengehern)

Auf über 1.000HM angelangte guckte ich mich um, holte die Thermoskanne aus dem Rucksack und gönnte mir einen Tee, bevor ich mich wieder auf den Rückweg machte. Als Schisser vom Dienst bin ich schon mal nicht in der Spur bergab gefahren, bei der Neigung wäre mir das zu schnell gewesen (für den 3. Tag auf Skiern), also kräftig bremsend kam ich wieder gen Tal. Einmal musste ich in den Wald ausweichen … naja gute Quote finde ich :)

Den Rest kam ich gut an, hin und wieder habe ich es sogar etwas laufen lassen, aber immer ausserhalb der Spur (mimimi). Als ich dann am Parkplatz zurück war, war dieser gut voll – mit Leuten die los wollten, als ich schon vom Gipfel zurück kam.

Als ich schon die neu gespurte Loipe befahren konnte, als ich den Sonnenaufgang durch die Bäume gesehen habe, als ich die Ruhe allein am Berg zu sein genossen habe. Ein unglaublich intensives  Gefühl das über den Zweifeln steht ob ich das hinbekomme oder nicht. Gewonnen und verloren wird eben zwischen den Ohren … und verloren hätte ich diese unglaublichen Momente, von denen ich nur ein paar auf Foto gebannt habe. Allein dafür hat das Ja für die Ausrüstung und das Ja für die spontane Tourenplanung gelohnt. Wenn es klappt möchte ich das nochmals machen – eventuell noch früher und etwas länger im Dunkel, dann einmal außenherum. Mal sehen.

Was ist die Moral der Geschichte? Gibt es nicht – für mich ist aber wieder klar geworden, dass es sich lohnt ja zu sagen, mal was auszuprobieren und die Komfortzone zu erweitern. Damit meine ich nicht nur sportliche Ziele oder den berühmten Schweinehund, den bekämpft man als Ausdauersportler ganz oft ganz einfach. Aber die Ausdauer bedeutet auch Routine und Routine kann man durchbrechen. Mal beim laufen wo abbiegen wo man schon immer lang wollte oder die Hausrunde andersherum fahren oder … eben mal ein #Adventuredahoam machen. Abendteuer erlebt man sicher eher Zuhause als dafür zu verreisen, manchmal sind sie nur 25km entfernt.

 

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4 Kommentare

  1. Sehr schön geschrieben. Früher bin ich im Vogtland auch viel Langlauf gefahren. Doch jetzt hier im Flachland ist Schnee Mangelware.
    Aber das mit dem spontanen Ändern der gewohnten Laufrunde sollte ich vielleicht auch mal versuchen.
    LG Dani

  2. Saucool! Ich finde es gut, wenn du dann schreibst, wenn du etwas sagen willst. Den Artikeln merkt man das an – und lieber lese ich seltener von dir, dafür aber einen Beitrag wie diesen. Top!

    Langlaufen spukt in meinem Kopf auch herum….ich werde mir aber doch eher ein Mountainbike zulegen. Demnächst….. :-)

    Ciao,
    Harald

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