Still got the Blues

Ja, wer hat nicht direkt einen Ohrwurm schon beim lesen des Titels? Ich leg‘ noch einen drauf.

Aber eigentlich geht es mir nicht um DEN Blues, sondern um einen anderen. Vor kurzem habe ich erst auf Twitter davon gelesen, dem „Post-PB Blues“. Vielleicht habe ich den ja … ooooh yeah, I’ve still got the blues!

So long ago…. so lange her, das ich einen WK gelaufen bin, witzigerweise war der vorletzte Wettkampf und der 10er letzte Woche beide in Dresden. Beide mit Bestzeit. Die auf dem HM war hart erarbeitet die auf den 10er kam jetzt (fast) vom Himmel gefallen.

Nach dem HM hatte ich Off-Season angemeldet und war dementsprechend eeeaaasy … aber jetzt nach dem 10er war gar nichts mehr easy.

Den Post-WK Blues mag es geben. Auch vorher hat mich so etwas schon erwischt. Wenn plötzlich ein Ziel fehlt. Bei mir kam diese Woche allerdings noch mehr dazu.

Ich weiß nicht wer es gesagt hat, aber es muss ein schlauer Mensch gewesen sein. Irgendwie ging es darum, dass der wichtigste „Muskel“ des Ausdauersportlers das Hirn ist. Dem kann ich nur zustimmen. Ist man mental nicht bereit, hilft der fitteste Körper nichts.

Aktuell treibt mich im Job so einiges um, viel zu tun, viel unterwegs, lange arbeiten. Dazu diese Woche 3-Tage Messe. Das ist an und für sich schon eine Trainingseinheit. Das kombiniert mit dem Post-PB Blues und schon war es soweit, dass das sorgsam austarierte System aus Freizeit, Job und Sport aus den Fugen geriet.

Nichts neues für mich, hatte ich letztes Jahr auch schon. Er geht erstaunlich lange gut, wie ich schon letztes Jahr feststellen musste. Aber irgendwann ist dann der Ofen aus.

Letztlich war ich diese Woche sehr angestrengt, kam kaum zum Sport, war ständig müde und abgeschlagen und habe sehr viel geschlafen. Einfach alles war schwer. Gestern freute ich mich wie ein Kind auf die Runde mit meinem neuen Renner, das war toll. Aber der Wettereinbruch mit Regen, Wind, Kälte + Sommerzeitumstellung waren dann zu viel.

Heute Morgen den Wecker auf (Sommerzeit) 4:55 Uhr gestellt (ja #allebekloppt!) – umgedreht, um 5:40 aus den Federn, nach Kaffe, O-Saft mit Chia-Samen und einer ausgiebigen Internet-Surfsession bin ich kurz vor sieben losgelaufen. Direkt in mikrofeinen Nieselregen der in JEDE Pore geht und vom Wind auch noch überall hin geblasen wird.

Das es für 30km kaum reichen wird, ist mir da schon klar – bzw. das Hirn meldet akuten Umdrehbedarf. Aber umgedreht habe ich noch nie und schon gar nicht <1km. Also trotte ich so vor mich hin. Es geht alles schwer, die Beine, der Kopf. Nur die Ausdauer stört es nicht. Mit lockerem GA1-Puls quäle ich mich. Gefühlt laufe ich 10% Steigung bergauf – in Wirklichkeit bretteben in 5:25er Pace.

Bei KM 3 möchte ich schon wieder umdrehen. Die Verhandlungen im Kopf werden lauter. 6km sind schon fast eine Einheit – da müsste ich mir vor meinem inneren Richter nicht mal die Blösse geben. Heim, ab in die Dusche und danach Frühstück. Ich laufe aber weiter.

Ich entwickle einen Plan, ich könnte die Runde des örtlichen HM rückwärts ablaufen. Abwechslung, noch nie gemacht. Wo ich abbiegen muss, laufe ich in den Nieselregengegenwind. Igitt … die Uhr piept bei Kilometer 5. 10 sind also im Kasten. 10 gehen immer.

Statt dem Plan zu folgen, laufe ich eine kleine Schleife und wieder Richtung Zuhause. Einfach nichts in und an mir möchte weiter laufen. Wie üblich beim Morgenlauf habe ich nach 30 Minuten den absoluten Tiefpunkt. Hungerast sozusagen – ich fühle mich noch kraftloser und nehme gefühlt etwas Druck raus. Das Wetter, die frühe Uhrzeit, niemand zu sehen … es ist trostlos.

Bei Kilometer 8 nehme ich alle Motivation zusammen und biege nochmal ab – ein paar Kilometer mehr kriege ich noch hin. Ich laufe eine neue Schleife, noch nie probiert und so ganz langsam kehrt leben in mir ein. Aber nicht genug um die Schleife weiter zu verlängern. Für das Wetter bin ich nicht richtig angezogen, keine Regenjacke – und mental einfach zu angeschlagen.

Wie üblich versuche ich auf den letzten 500m noch 2-3 Steigerungen zu laufen, bei denen sich meine Beine wie Blei anfühlen. Nur noch nach Hause, nur noch unter die Dusche, nur noch Frühstücken, nur noch die Trainingseinheit vergessen.

Im Hobbyathlethenleben ist nichts optimal, manchmal ist vieles suboptimal. Fast alle Kämpfen wir in unserer eigenen Altersklasse, gegen uns selbst. Mit den Wegbegleitern und gegen widrige Verhältnisse. Gegen Kindergartenkeime, mit Familienterminkalendern, für Vorbildheldenmomente.

Während Pro-Athlethen teilweise Übertraining fürchten müssen, fürchten wir Hobbysportler ständig das Untertraining. Ständig das Gefühl zu wenig getan zu haben, zu langsam gewesen zu sein, zu kurz, weil wir im Kopf nicht nur beim Sport sondern bei den anderen Dingen sind, die uns wichtig sind. Das ist aber mentales Untertraining – für uns gibt es kein zu wenig, jede Trainingsminute ist genau richtig. Das geht uns manchmal ab … das geht mir manchmal ab. Nach 1km umdrehen ist nicht toll, aber keine Schande – auch wenn die 15km OK waren.

Manchmal hemmen die Umstände. Stress ist einer davon, der muss nicht mal körperlich sein, manchmal reicht es schon das sorgsam zusammengehaltene mentale Gerüst zum wanken zu bringen.

Aktuell geht es auf die ersten Saisonhöhepunkte zu, darum hoffe ich, dass ihr alle weiterhin gesund und fit bleibt und eure Grenzen im Blick habt. Manchmal sind sie nicht von der sportlichen Art – und wirklich extrem selten habt ihr/hab ich zu wenig trainiert. So viel ist sicher… manchmal eher zu viel.

* Bildquelle für das Titelbild: www.picjumbo.com

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