süßes Gift, Zucker, Ernährungsberatung

süßes Gift

süßes Gift, Zucker, Ernährungsberatung

Bildquelle: lichtkunst.73 / pixelio.de

Das süße Gift der Ernährungsberatung … und so viele Menschen sind leider nicht davor sicher. Die Bilderauswahl und der Titel scheinen eine klare Sprache zu sprechen … es geht um die Geißel unserer Gesellschaft, die uns inzwischen medial, wissenschaftlich und moralisch als Geisel nimmt?

Nein, der Zucker ist nur das Mittel zum Zweck … vielleicht sogar dem Selbstzweck. Aber eines vorweg, ich bin auch selbst kein Freund von Zucker. Da bin ich irgendwie ganz bei den Schweden, die LowCarb als sinnvoller als LowFat erachten. Aber Zucker, Fett oder von mir aus auch Transfettsäuren, Glutamat oder was auch immer sind alles nur Platzhalter für eine immer schneller und besser laufende Gelddruckmaschine.

Sag mir was Du bist und ich sag Dir was du isst

Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich mich mit meiner Kritik einerseits auf dünnes Eis, andererseits natürlich auch in die Kritik bringen kann. Aber nun fragt sich der geneigte Leser ggf. worum geht es eigentlich, welche Kritik und was haben die armen Donuts jetzt dem Blogautor getan?

Rückblende – zwei Tage in die Vergangenheit. Ich bin in der glücklichen Position von meinem Arbeitgeber zu einer Konferenz eingeladen zu werden, zum Thema Gesundheitsmanagement. Klar, dabei geht es auch um einen Rückblick auf 2013 und einen Ausblick auf 2014. Eine dieser Firmenveranstaltungen eben, bei der man Kollegen trifft, die man sonst selten sieht und bei der man sich mal außerhalb des normalen Arbeitsumfelds mit neuen Themen beschäftigt. Gesundheitsmanagement kann sehr theoretisch sein und ist ganz klar etwas anderes, als gemeinsam in der Pause geturnte Fitnessübungen.

Für den entsprechenden Tag war aber eines der Themen klar… ein Thema, das man – wenn man es googelt – kaum mehr überblicken kann. Aber nicht nur virtuell bietet das Thema Ernährung genügend Potential einen in den Wahnsinn zu treiben, nein es gibt auch eine nicht ganz unerhebliche Anzahl an Menschen, die mit diesem Informationsoverkill seinen Lebensunterhalt bestreitet. Wahrscheinlich weil ich mich am Ende des Tages über die Gesamtheit der Ernährungsberatung so geärgert habe, wollte ich den Blog schon mit „moderner Quacksalberei“ beginnen … aber das wäre eben auch das, was mich ärgert … reine Polemik.

Babylonische Ernährungsverwirrung

Nun hat sich mein Arbeitgeber wirklich Mühe gegeben, neben Vorträgen gab es für das mittlere Management auch einen Theraband-Kurs, Stabilitätsübungen, Körperfettbestimmung und eben Ernährungsinformationen.

Zum Thema Ernährung gab es vielfältiges zu hören. Ein Vortrag durch eine Ernährungswissenschaftlerin, einen Part zum Thema Fett und Zucker, einmal etwas zum ausprobieren bezüglich Saft („die Saft-Lüge“) und etwas unter dem praktischen Titel „Ernährung im Alltag“. Kürzt man das ganze raus, hatte ich also die Möglichkeit an einem Tag 4 Leute, die Ihr Geld mit Ernährungsberatung verdienen, hintereinander zu hören.

Nun gehöre ich nicht nur wegen meinem Interesse am Ausdauersport zu den, im Bereich Ernährung, eher beleseneren Mitmenschen. Immerhin habe ich es ja ohne äußere Hilfe geschafft 40kg abzuspecken und das Gewicht über Jahre konstant nach unten zu bringen und zu halten. Ich habe viele Bücher, Blogs, Webseiten gelesen. Ich koche und experimentiere gerne und beschäftige mich auch gerne mit dem Thema Ernährung.

Diesen „Vorsprung“ bemerke ich regelmässig auch direkt bei mir im Büro oder im direkten Umfeld. Dort gibt es auch nur eher kleine Missverständnisse über Lebensmittel, auch wenn ich hin und wieder mal überrascht über einige Kollegen bin, wie blauäugig sie doch bzgl. Lebensmittel sind (z.B. über den verbleib der ganzen männlichen Küken in der Legehennenzucht). Dennoch bemerke ich nicht nur im direkten Umfeld doch immer öfter, wie Menschen den Bezug zu dem verlieren was sie essen.

Bekanntlich hat genau das teilweise verheerende Wirkung. Packungsaufschrift steht dann vor dem Körpergefühl und sozialer Druck und Konventionen sind ggf. wichtiger als die eigene Gesundheit.

4 Menschen – 5 … ja was eigentlich?

Ich tue es ja hier letztlich auch. Ich schreibe über Ernährung, über Ernährungsberatung und letztlich platziere ich hier meine Meinung über beides. Allerdings tue ich das hier in meinem Blog, sogar einem Laufblog. Ich werde hierfür nicht bezahlt und auch nicht engagiert.

Die 4 o.g. Personen wurden das selbstverständlich. Alle betonten mehr oder weniger direkt, sie seinen Ernährungsberater. Die Mischung macht’s. Vom Koch in der Sternegastro, über den Personal Trainer bis zum ehemaligen Werbefachmann und zur studierten Enährungswissenschaftlerin war alles dabei – und alle  taten genau das wofür sie bezahlt wurden. Sie redeten – referierten – erklärten – beleuchteten.

Nun sollte man meinen, dass Ernährung eigentlich ganz einfach ist. Die Prinzipien wie der Körper so funktioniert sind ja eigentlich ganz klar. Leider hat man eigentlich nur noch nicht verstanden, welche Effekte die vielen unterschiedlichen Substanzen die wir uns so zuführen in der ganzen Wechselwirkung letztlich haben. Hypothesen gibt es unzählige, Studien auch … sogar Langzeitstudien, aber sie alle stehen meist auf dünnen Gerüsten. Kurze Studien sind oft nicht wirklich aussagefähig und Langzeitstudien hinsichtlich der Ernährung bei dem abwechslungsreichen Leben, dass wir in unserer Kultur führen, ganz sicher nicht frei von Einflüssen, die Forscher einfach nicht ausgrenzen können.

Nun leben wir – leider – bereits jetzt in einer Gesellschaft, die es verlernt hat hinsichtlich derartiger Aussagen kritisch zu sein. Das Marketing poliert Studien auf und formuliert Sätze so lange um, dass sie mehr suggerieren als sie aussagen … und das obwohl objektive Zahlen von Studien darin vorkommen. Wer sich Zeit nimmt, findet aber die Studien, kann sie lesen und sich eine eigene Meinung bilden.

Meinungen sind für alle da

Und genau da sind wir angekommen – bei jedem neuen Vortrag zum Thema Ernährung tauchten ähnliche Themen auf. Grundsätzlich nicht überraschend, wenn sich die Referenten nicht gleich mal direkt oder indirekt widersprochen hätten. Teilweise wurde gleich mal innerhalb der ersten Minute klar gestellt, wer genau Quatsch erzählt und warum um Himmels willen doch dieser und jener Punkt nicht klar gemacht wurde.

Als Ernährungs-Interessierter habe ich natürlich gut zugehört und als kritischer Zuhörer vielleicht sogar nochmals etwas besser. Das was ich letztlich über den Tag verteilt mitbekommen habe war stets das gleiche. Objektive Fakten gepaart mit unterschiedlich ausgelegten Forschungsergebnissen wurden angereichert um schicke Fachbegriffe.

Ich geb’s zu, Adenosintriphosphat brauche ich nicht nur um zu laufen …es hört sich – geschickt in den Vortrag eingestreut – einfach geil an! Aber hier sind wir noch auf der sicheren Seite, wie ich finde. Schlimmer wurde es, dass – und das muss ich jetzt einfach mal behaupten – die ganzen Fakten, von allen 4 Leuten zusätzlich mit Meinungen angereichert wurden. Meinungen sind grundsätzlich nicht schlimm, jeder hat eine … manche sogar mehrere. Aber angereicherte Dinge machen uns bekanntlich oft Ärger. Sind sie mal in der Welt haben Sie eine lange Halbwertszeit und müssen irgend wann im Castor endgelagert werden.

Ernährungsberater kann man meines Wissens ziemlich einfach werden. Aber darum geht es eigentlich gar nicht, denn sogar die Wissenschaftlerin tat genau das … sie präsentierte Ihre Meinung. Vielleicht war ich davon letztlich sogar noch etwas enttäuschter, denn Wissenschaftler sollten Meinung und Fakten klarer trennen können. Einfach blind einem Saal mit fast 100 Leuten zu raten Vitamin D einzunehmen entbehrt jedem Fakt … das ist Meinung, sie selbst nimmt es ein und rät dies ungeprüft. Jeder der keinen Seefisch isst, solle dies tun. Hallo… geht’s noch?

Es wird aber noch besser, die „Experte“ widersprachen sich sogar in nachprüfbaren Fakten. Beispielsweise wurde der Fettgehalt eines Hühnereies einmal absolut und von einem anderen Ernährungsberater pro 100gr angegeben, natürlich mit dem Hinweis, dass Experte A ja keine Ahnung hätte.

Erschreckend war auch der Hinweis, dass zu viel Äpfel Herzinfarkte begünstigen würden… natürlich wegern der Geißel, des Zuckers wegen … unserem aktuellen modernen Feind. Mal davon abgesehen, dass ich mir persönlich nicht vorstellen kann täglich 5-6 Äpfel zu essen, halte ich so einen plakativen Ausspruch einfach nur für gefährlich.

Geld stinkt nicht

Es mag sein, dass die Redner ungünstig ausgewählt wurden, dass allerdings 4 „Experten“ solche Dinge (und das sind nur die Highlights!) ablieferten zeichnet in meinen Augen ein schlechtes Bild der Ernährungsberatung. Das süße Gift ist nicht nur der Zucker, sondern auch die Moneten die man mit Angst, Meinungsmache und plakativen Aussagen machen kann.

Die Gesundheitsindustrie ist schon länger ein Wachstumsmarkt, weil man uns immer häufiger versucht Dinge mit dem Label gesund zu verkaufen. Auch Ernährungsberater verkaufen. Bis auf wenige Ausnahmen werden sie von ihren Klienten (sicher nicht Patienten!) bezahlt. Sie leben von Beratung und relativ häufig auch vom Verkauf bestimmter Diätkonzepte, Nahrungsergänzungsmittel und ähnlichem.

Irgendwo da draußen tue ich sicher sehr bemühten und objektiven Ernährungsberatern unrecht… und ähnlich wie in der Homöopathie wird sicher der ein oder andere nach dem Motto „wer heilt hat recht“ oder … „wer abspeckt hat recht“ argumentieren. Allerdings treiben mich solche Halbwahrheiten, solche als Fakten verkauften Meinungen und die teilweise an die Esoterik erinnernde Argumentation zur Weißglut.

Was wir als Gesellschaft brauchen sind nicht Menschen, die hinsichtlich ihrer Ernährung immer mehr verunsichert werden, sondern die wieder zu ihrem Körpergefühl zurückfinden – und das am besten mit offener Beratung, mit kritischem Meinungsaustausch und klaren Grenzen zwischen Fakt und Meinung. Letztlich wird ein übermässiger Konsum von Zucker durch die o.g. Aussagen nicht besser, aber wir als denkende Menschen haben es verdient uns ein realistisches Bild zu machen und sollten wir auch einen unverstellten Blick auf die Ernährung bekommen … ohne Halbwahrheiten, ohne Panikmache, ohne Glaubensfragen und ohne Esoterik.

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4 Kommentare

  1. Toller Beitrag!
    Ich unterschreibe das komplett. Ein bekannter Laufkollege, der sich regelmäßig mit Gewichtsproblemen rumschlägt, treibt alle paar Monate eine neue (Ernährungsberater-)Sau durch’s Dorf, was er dann auch sehr ausführlich berichtet.
    Ohne die einzelnen Personen und „Systeme“ zu kennen, kann man da als Außenstehender schon leicht sehen, dass es wohl meist reicht, plakativ den Verzicht bestimmter Komponenten zu propagieren. Vorrangig ist das jedoch nie Zucker oder Fett, sondern eher Dinge wie z.B. Milchprodukte. Dann werden noch Nahrungsergänzungsmittel „verschrieben“ und geraten, viermal die Woche Fisch zu essen (oder so).
    Ich hoffe, er gerät mal an einen seriösen Menschen oder macht sich endlich mal selbst ein Bild.

    • Eigentlich ist es ja typisch. Einige schwarze Schafe werfen ein schlechtes Licht auf eine Branche. Es herrscht eben Goldgräberstimmung. Die Menschen sind häufig verunsichert und die ganze Gesellschaft „schreibt“ uns beinahe schon vor, dass wir nur brave Bürger sind, wenn wir regelmässig Sport treiben und gesund leben. Mit so einem Druck bekommt man allerdings niemanden dazu wirklich etwas zu verändern… darum mein beinahe-Vergleich mit der Quacksalberei. Aber – und da bin ich mir sicher – es gibt bemühte Leute, es gibt auch Menschen die damit klar kommen und denen Ernährungsberatung geholfen hat …

  2. Hallo Daniel
    Ein wirklich klasse Artikel. Leider ist „Ernährungsberater“ ja kein offizieller geschützter Titel – d.h. man kann in einem Wochenende einen Kurs machen und danach als Ernährungsberater agieren. Trotzdem erschreckend, wie wenige wirklich nachvollziehbare Fakten gezeigt werden und wie man diese mit eigenen Meinungen in einen grossen Topf wirft. Ich mache momentan auch eine Weiterbildung zur Ernährungsberaterin (Precision Nutrition) und es ist oftmals viel komplizierter, als man meinen würde. Bei Äpfeln nur den Zuckergehalt isoliert zu betrachten und dann davon abzuraten ist ja schon beinahe wieder lustig.
    Liebe Grüsse
    Ariana

    • Danke Ariana! Letztlich hängt es wahrscheinlich nicht nur an der Ausbildung, denn viele Sachen können schließlich auch von interessierten Laien herausgefunden werden. Viel mehr geht es darum was man daraus machen möchte.

      Wenn ich Meinungen hören möchte, unterhalte ich mich einfach ungebunden mit jemand. Aber eine Beratung bzw. ein Vortrag sollte Meinungen ganz klar kenntlich machen. Das verschiedene Menschen nicht ein Ernährungskonzept propagieren können ist ja klar – wir essen ja auch alle unterschiedlich.

      Ich bin ja mal gespannt ob und was Du uns zu Deiner Ausbildung berichten kannst. Das beste an der Ernährungsdiskussion für mich ist vor allem, dass ich immer wieder mal Lust bekomme etwas neues auszuprobieren um für mich festzustellen wie ich damit zurecht komme.

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