The winner takes it all – Fluch & Segen von Challenges

Eric hat die Tage einen interessanten Blog über Challenges geschrieben. „Kämpfe moderner Gladiatoren“ heißt der Artikel und ist auf seinem Blog schnelle Beine zu finden.

Darin geht es um Dinge, die aktuell durch soziale Medien geistern. Challenges – einer großen Masse sicher erst seit der Icebucket-Challenge wirklich ein begriff, im digitalen Sportbeutel befindet sich die Herausforderung schon seit langem. Es gibt ganze Internetdienste die nichts anderes als Grundlagen für Herausforderungen bereit zu stellen, Strava ist einer davon.

Davon abgesehen braucht es aber gar keine Homepage dafür. Sport an und für sich ist die Zuspitzung auf den Wettkampf. Natürlich gibt es den Gesundheitsjogger und den den in-die -Rückenfitness-Geher, aber Sport bedeutet – sind wir mal ehrlich – für die meisten eine Herausforderung.

Gegen wen ist die Frage – vor allem für uns Ausdauersportler nicht immer so einfach zu beantworten. Die wenigsten von uns brauchen wirklich jemand anderen zum kämpfen. Auch wenn wir oft ziemlich umgängliche Typen sind, im Wettbewerb stehen wir gegen uns selbst. Die allerwenigsten kämpfen um Siege oder Platzierungen … die Frage ob man den 12.438te oder 7.922te Gesamtplatz belegt motiviert nicht wirklich.

Nun gibt es aber die Challenges. Herausforderungen die willkürlich von jedem er- und gestellt werden können. Das einzige was man dazu braucht, ist eine ausreichend große Fanbase um das Ding sozial zu teilen.

Was tun Challenges? Sie motivieren – so wie Eric es schon schreibt – viele Leute mitzumachen, sich zu messen, ihre Ergebnisse zu präsentieren und sich mit anderen zu messen. Man denke nur an die epische GoogleSpreadsheet-Tabelle zur #noplanknopain Challenge.

Ich schließe mich da durchaus mit ein, immerhin hat mich die Öffentlichkeit, der Vergleich und der soziale Druck dazu gebracht mitzumachen.

Aber was für den einen sinnvoll sein kann, ist bei den anderen Brandbeschleuniger.

Sind wir doch mal ehrlich, in unserer Ausdauersportler-Internetblase sind uns die Relationen teilweise abhanden gekommen und das kann auch gefährlich sein.

Jemand plankt 17 Minuten? Alles klar.
Jemand anders hockt 7 Minuten im Wallseat? Gebongt.
300 Squats? Gar kein Thema!
Marathon in 2:39? Na mach doch!
6h Lauf in 4er Pace? Völlig normal.
Ziel Meister im Ultralauf zu werden. Gogogo!
Mitmachen beim 24h Radfahren? Sogar im Fieberwahn.
Hawaii dieses Jahr? Schon bald langweilig.

Die Challenges der Einzelnen, die Tempi, die Umfänge, die Unbeschwertheit wie quasi unmögliche Wettkampfanmeldungen getätigt werden, die Kombinationen des Training, der Zeitbedarf … all das ist nicht normal. Hört ihr … ES … IST … NICHT … NOR-MAAAHAAAL!

Wir haben den Bezug zu Otto-Normalbürger verloren. Otto Normalbürger versucht sich an der Planking-Challenge, hängt nach 3-4 Tagen in den Seilen und schafft vielleicht eine Minute. Hängt das Planking an den Nagel und es ist gut. Und zum Thema #squatnseat … kein vernünftiger Mensch kann es wirklich Ernst meinen einen kompletten Monat diese Übungen zu machen mit maximal 4 Ruhetagen.

Wir sind anfällig für so etwas, wir fortgeschrittenen Hobbysportler meine ich. Die, die nicht nur für die Gesundheit sporteln, sondern sich herausfordern wollen. In Wirklichkeit sind wir ständig auf Entzug und die Herausforderung ist der Kick.

Die Umgebung macht den Kick aber einfach. Irgend jemand in unserem digitalen Umfeld bietet uns stets Potential. Da fuhr einer unseren KOM schneller? Raus und hinterher? Virtuelle Runde bei Zwift, langsamer als der virtuelle Radkumpel … dann aber schnell in die Pedale treten. Das Jahresziel eines Lauffreundes klingt so wunderbar verlockend – wird dann auch schnell mal versucht.

Ich möchte eine Lanze brechen, für die die sich nicht ständig herausfordern müssen oder wollen. Wir müsssen nicht von der Couch runter, wir müssen vielleicht ein paar mal öfter drauf. Wir sind hyperaktiv, wir wollen ständig in Bewegung sein, wir wollen ständig mehr. Schneller werden, länger Radfahren, weiter laufen, mehr Squats, längere Wallseats … alles schön und gut, aber Challenges verleiten auch zu Blödsinn.

Blödsinn kann schön sein, Blödsinn führt uns an unsere Grenzen und darüber hinaus … aber Blödsinn zerstört auch Träume. Ich mag Blödsinn gerne, aber Blödsinn hat mir jetzt schon über ein halbes Jahr meinen liebsten Sport versaut.

Sport macht Spaß mit Herausforderung, mit Wettkampf und mit dem Vergleich mit anderen. Aber gerade als Ausdauersportler haben wir einen Vorteil – wir brauchen das nicht. Wer läuft oder Rad fährt kommt raus in die Natur und kann unzählige Momente genießen, die eine Couchkartoffel nicht sieht. Denkt immer dran, wenn ihr das nächste mal für ein Strava-Segment zum Sprint ansetzt oder im Training unbedingt eine PB fallen muss… wer weiß was Ihr in diesem Moment verpasst.

Gewinner gibt es immer nur einen … aber man kann auch andere Dinge gewinnen. Eindrücke – Gerüche – Lichtblicke – Ruhe

Das kann auch mal eine Challenge sein in unserer stressigen Welt.

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4 Kommentare

  1. Ich finde gut auch mal nein zu sagen. Es muss nicht immer höher / weiter / schneller sein. Jeder muss für sich wissen was passt. Die Grenze aber zu finden, indem man sich eine Challange setzt und es dann wirklich zu schaffen ist eines der schönsten Gefühle der Welt. Der Mix macht es aus, denk ich.

    • Genau auf diesen Zwiespalt wollte ich hinaus. Ich bin kein Spaßverderber und Nein-Sager, um Himmels willen. Dafür bin ich viel zu leicht für verrückte Ideen zu gewinnen, aber ich bin der Ansicht, dass man die verrückten Dinge machen kann und sich gleichzeitig so einsortiert, dass man weiß, dass es bekloppt ist und selbst unter Ausdauersportlern schon weg von der Norm ist.

  2. Die Idee der Challenges finde ich super, aber kann mich nicht für alles begeistern. Bei Strava fand ich den Gamification-Ansatz super, aber der Mehrwert hat mir gefehlt. Vielleicht lag es daran, dass ich keinen Premiumzugang hatte…

    Den Zugang zur Welt der „Normalen“ habe ich vollkommen verloren und kann mir gar nicht mehr vorstellen zu leben, ohne mich ständig selbst herauszufordern. Das empfinde ich als sehr belebend. Wichtig dabei ist mir aber (mittlerweile), dass es Grenzen haben muss und dass man diese erkennt. Ich habe, wie Du, die schmerzvolle Erfahrung machen müssen, dass man mit etwas Übereifer dafür sorgen kann, dass man – zumindest zweitweise – den Spaß an jedwedem Sport verliert. Und das sollte sicher nicht das Ziel sein. Man muss nicht immer der Beste sein, aber man sollte immer mit all seinem Spaß und seiner Freude bei der Sache sein.

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