Fitness-Tracker

Fitness-Tracker – die Vermessung der (Bewegungs-) Welt

Fitness-Tracker

Dinge zu messen erinnert an schlechtge Gewohnheiten, dem bedient sich auch ein Trend zu mehr Selbstkontrolle
Bildquelle: Anne Garti / pixelio.de

Wo man hinsieht gibt es seit neuestem Fitness-Tracker. Sei es das Nike Fuelband, das Jawbone Up, gleich mehrere Geräte von Fitbit, das Withing Pulse und in Kürze auch noch das Loop von Polar. Noch vor einiger Zeit kannte ich dieses Thema von 2-3 Smartphone-Apps, inzwischen sind daraus aber eigenständige Geräte geworden … und es scheint mir auch so zu sein, dass es immer mehr werden? So gut wie jede Firma, die mit Sport und Fitness in Berührung kommt und Erfahrung mit Elektronikspielzeug haben bringen nach und nach den persönlichen Geheimdienst zum mitnehmen auf den Markt.

Diese kleinen Teile sind ja nun nicht unbedingt Schnäppchen. OK, vielleicht kommt es mir einfach nur so vor, aber für ein kleines Stück Elektronik im Schnitt mehr als 100 EUR zu bezahlen, erscheint mir aus meiner Perspektive schon eher hochpreisig – auch wenn Hightech drin steckt, sind das sicherlich auch Produkte, die zahlungskräftige ansprechen sollen … aber warum verkaufen sich Fitness-Tracker aktuell so gut?

Quantified Self – Selbstbetrug oder schlaue Datensammlung?

Der Grund warum immer mehr Firmen Fitness-Tracker auf den Markt werfen ist eine Bewegung die – keine große Überraschung-  aus den USA nach Europa gekommen ist. „Quantified Self“ also quasi das vermessene Selbst nennt sich der Trend, bei dem es darum geht mit moderner Technik möglichst viel von sich selbst zu erfahren und zu dokumentieren.

Chronisch kranke wie Diabetiker finden das sicherlich wenig cool und hipp, quantifizieren sie doch ihr selbst nicht erst, seitdem man dafür einen griffigen englischen Begriff gefunden hat. Aber wie so oft; wenn man sich selbst für etwas entscheidet ist es aufregender, spannender und motivierender – nicht zu vergessen ist natürlich, dass man dafür auch Geld bezahlt hat. Die Ziele mögen auf den ersten Blick gleich sein, so möchte ein Diabetiker natürlich seinen Gesundheitszustand verbessern oder beibehalten – allerdings darf man in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass hier auch gewisse Zwänge bestehen. So bestehen Ärzte und Krankenkassen bei Beantragung bestimmter Therapien auf umfassende Daten – wärend die Selbstquantifizierer sich selbst (oder ihren Schweinhunde) an die Kette legen möchten.

Da hat es der moderne Mensch von heute – offensichtlich – schon einfacher. Immerhin strebt er, wenn man es mal überspitzt formuliert, nichts geringeres an als das bessere, vielleicht schon das beste Ich zu erreichen. Auf den Webseiten der Fitness-Tracker Anbieter finden sich somit auch knackige Aussagen im Sinne von „Lerne Dein Leben besser kennen“. Eine Fragestellung die typisch für unsere aktuellen Zeiten klingt.

Managementweisheiten für alle

Im Job ist mir ein Spruch schon länger bekannt: „Was man nicht messen kann, kann man nicht managen.“ Und ja, ich kann das bestätigen. Sei es im Beruf, sei es aus meinen Erfahrungen im Fernstudium oder auch bei handfesten Themen wie dem Gewicht. Immer wenn ich mein Gewicht regelmässig messe und protokolliere bleibt es stabil bzw. sinkt wenn ich dabei bin abzunehmen.

Der Grund liegt auf der Hand, man beschäftigt sich regelmässig mit seinen Zielen. Ziele die, wie z.B. abzunehmen, recht komplex sind lassen sich in wenigen Zahlen und einem Diagramm aussagekräftig zusammenfassen und das ist auch die Mission der Fitness-Tracker oder auch Activity-Tracker. Sie sind Schrittzähler, Schlafphasenanalytiker teilweise auch Pulsmesser oder zusammen mit der dazugehörigen Smartphone-App bzw. dem Webportal Ernährungstagebuch.

Höher, schneller, weiter

Nun leben wir in Zeiten, in denen die Medienlandschaft, die Gesellschaft und vor allem wir selbst immer mehr von uns verlangen. Wir sollen (oder wollen?) in so vielen Bereichen wie möglich mitspielen. Guter Schulabschluss, schnelles Studium, früher Berufseinstieg, ausgewogenes Verhältnis zwischen Job und Familie, gesund ernähren, Sport treiben, Energie sparen … alles unter dem Gesichtspunkt der Effizienz. Hier rennen die Fitness-Tracker natürlich offene Türen ein.

Werbestrategen fahren schon seit Jahren die Strategie dem Konsumenten zu erklären, dass er in Bereich X oder Y doch unzulänglich sein, aber der Erwerb des Produktes A bzw. B genau diese Diskrepanz verbessern kann. Nun verströmen die Fitness-Tracker noch einen besonderen Reiz. Anstatt sich auf das Astronauten-Deo zu verlassen, liegt die Verantwortung nicht mehr ganz so unzulänglich zu sein plötzlich bei uns selbst – wir brauchen nur noch ein Gerät, dass uns ohne Mühe aufzeigen kann was wir tun, wie viel wir tun oder was wir eben nicht tun.

So ein Tracker ist die elektronisch gewordene Form des Über-Ich … oder bildlicher gesprochen, anstatt kleinen roten Teufelchen auf der Schulter hängen wir das ganze ans Handgelenk oder stecken es in die Hosentasche – wobei jeder Blick auf die App bzw. das Onlientool wie ein virtueller Pieks mit dem Dreizack wirken soll.

Privat-NSA, oder wohin mit den Daten?

Die Kritik an Fitness-Trackern ist öfter mal auch der Datenspeicherung geschuldet. Das ist sowieso ein Thema für sich, das jeder auch mit sich selbst ausmachen muss. Ob und welche Daten wo gespeichert werden, dass muss der erwachsene mündige Mensch mit sich selbst ausmachen – ein andere Frage, die aber auch uns Läufer betrifft – bleibt aber offen!

Was macht man mit den ganzen Daten und vor allem wird man denen auch irgendwann noch Herr? Auch ohne ein zusätzliches Gadget sammelt der Läufer Informationen zu Laufstrecke, Tempo, Puls, Kalorienverbrauch, Kilometerleistung der Schuhe … und dann sind wir gerade mal bei den rudimentären Daten. Meist erhebt man auch noch das Wetter, die Laune, die getragene Bekleidung dazu kommen noch verwandte Daten wie das Gewicht, Ruhepuls, Maximalpuls, Blutdruckt und und und. Die Technik macht aber auch vor uns keinen halt – neue Laufuhren wie die Garmin Forerunner 220/620 erheben bald zusätzlich neue Werte wie Schritte pro Körperseite, Bodenkontaktzeiten und Flugphasen. Als Hobbyläufer beschränkt man sich bei den meisten Dingen allerdings auf die Trainingszeit. Trägt man aber noch einen Fitness-Tracker dazu, erhöht sich die Dauer der Eigenüberwachung. Schlafphasen, Schritte, Treppenstufen … alles wird auf einmal relevant, mess- und sichtbar.

Das Versprechen: subjektives soll objektivierbar werden?

Letztlich läuft es auf die Frage hinaus, was kann ich wirklich aus den Daten lesen? Helfen mir die Daten nachträglich noch? Was erwarten wir davon? Meiner Meinung nach ersetzt (wenigsten gedanklich) die Datensammlung etwas, das man früher einfach Intuition nannte. In unserer wissenschaftlich geprägten Gesellschaft, die aus den wildesten Datensammlungen Dinge vermutet oder prognostiziert, verspricht uns die private NSA eben genau diese Erkenntnis … dass wir aus unseren Bewegungsdaten oder unseren Sportdaten herauslesen können wo unsere Schwächen liegen, Erkenntnisse gewinnen warum Dinge nicht klappen oder warum es gut lief.

Dabei stellen wir Messwerte über das Körpergefühl. Wie oft liest man von Laufeinsteigern die mit der Pulsuhr kämpfen und den Werten mehr Bedeutung beimessen als ihrem Bauchgefühl.

Ich gebe es zu, ich selbst mag Gadgets und wenn ein neues – wie so ein Fitness-Tracker – auf den Markt kommt, klicke ich auch gerne auf den Seiten herum und frage mich, was ich damit alles anstellen könnte. Aber letztlich holen mich eben genau diese Gedanken wieder ein. Datensparsamkeit (oder wie ich letztens hörte … Datenaskese) hat nicht nur etwas mit Datenschutz zu tun, sondern kann vielleicht auch erhellend oder befreiend sein.

Deswegen führe ich dennoch ein Lauftagebuch und führte z.B. im Fernstudium ein sehr detailliertes Studientagebuch – allerdings ist es eine Frage des Anspruchs was man damit machen möchte. In der Nachschau kann ich sagen, dass die Daten in meinem Studientagebuch nur für den Moment gut waren, Erkenntnisse gab es daraus wenige zu gewinnen … und so ist es letztlich auch beim Sport oder bei der allgemeinen Fitness. Wer messen möchte, soll das tun … aber anstatt alles zu speichern zu archivieren sollte man vielleicht ein Verfallsdatum einbauen, denn mal ehrlich … die ganzen Daten verlieren mit jeder verstrichenen Stunde ihren Wert.

Wie haltet Ihr es mit den Daten? Wofür archiviert Ihr sie… wenn Ihr es überhaupt tut? Blättert Ihr auch mal zurück, oder sind die Daten nach wenigen Wochen schon wieder unwichtig für Euch?

 

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4 Kommentare

  1. Ein wirklich interessant geschriebener Beitrag, der zum Nachdenken anregt!
    Ich selbst sammle über meine Garmin Uhr sämtliche Sport und Gewichtsdaten. Und ja – ich schaue diese auch immer wieder einmal an, einfach um herauszufinden, warum es manchmal besser ging und warum nicht. Und natürlich motiviert es mich auch, wenn ich mir Ziele setze und auf diese hinarbeiten kann :-)
    Liebe Grüsse
    Ariana

    • Ja, die Ziele sind es die die Messerei sinnvoll erscheinen lassen … darum – wie schon gesagt – mach ich das selbst. Aber irgendwie hängt man sich da auch selbst ganz schön an die Leine.
      Ich habe gefühlt über ein Jahr gebraucht, bis ich mich von der Gesamtpace einer Einheit gelöst habe. Immer schneller und schneller geht eben nicht – Zwischenzeitlich hat mein Belohnungszentrum durchaus verstanden, dass ein Traillauf oder eine Intervalleinheit im Lauftagebuch ruhig mal mit geringerer Durchschnittspace dastehen kann. Genau da wirds natürlich auch Haarig, wenn man sich den ganzen Tag überwacht … jeden Tag 10.000 Schritte geht eben an manchen Tagen nicht – so lange man dabei noch Fünfe gerade sein lässt, ist aber alles im Lot.

  2. ich schon wieder…

    Ich zog meine komplette läuferische Anfangs-Motivation aus der Tatsache, dass ich ein Gadget für mein Hobby hatte. Ohne meine GPS-Uhr sowie alle km-Spiele, selbstgestrickte Excel-Tabellen und daraus resultierende kurzfristige Ziele („diesen Monat schaffe ich über 200 km, wenn ich heute noch mal laufen gehe“) hätte ich es nie zum Läufer geschafft, auch wenn ich sicher wie Du „nur“ im unteren läuferischen Mittelfeld unterwegs bin.
    Ich blättere auch gerne zurück, zumindest so lange ich noch in der Lage bin, die früher gelaufenen Zeiten zu verbessern. ;-) Richtige Erkenntnisse für mein aktuelles Training ziehe ich in der Tat aber auch nicht daraus.

    • Kann ich absolut verstehen – die Uhr war schneller angeschafft als gedacht – gerade für Anfänger oder unsereins die irgendwo rund um die hinteren Hälfte des Feldes laufen hat es da ja noch leichter, aber irgendwann ist die Verbesserung mal vorbei. Die austrainierten ambitionierten Läufer haben ja aber schon längst die neusten Spielzeuge parat und messen Laktat und Co. … wieder was zum aufschreiben ;-)

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