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Jahreszyklus Rennradnovize – heute: äußere Einflüsse

Neues aus dem Jahreszyklus ‚meine erste Saison als Rennradfahrer‘, also sagen wir für mich neues. Den hartgesottenen Radprofi lässt der folgende Bericht sicher völlig kalt. Aber … obwohl … kalt gelassen hat mich das auch, aber dazu später mehr.

Ob Rad-Vollprofi oder Rad-Voll-Amateurprofi … wer es richtig ernst meint, mit dem Radsport verkommt in den Augen der Außenstehenden irgendwann zur „harten Sau“ – stundenlang auf dem schmalen brettharten Sattel sitzen, treten wie ein wilder, bergauf wie bergab … allein schon die Sitzposition, da schüttelt jeder Freizeit- oder „von-A-nach-B-Radler“ den Kopf. Dann fahren die auch noch auf der Straße, wo doch direkt neben dran ein Radweg ist. Die können doch alle nicht mehr bei Trost sein.

Hin und wieder beschäftigt mich ja auch schon die Frage, für wie bescheuert mich eigentlich mein Umfeld für das Laufen hält … nun kommt ja noch eine zweite Sportart hinzu mit ihren Stereotypen. Während man einen Fußballamateur in Deutschland selten für bekloppt hält, wird das wohl grob geschätzt jedem zweiten Ausdauersportler angedichtet. Meine Vermutung liegt irgendwo in der Zeitbegrenzung. Beim Fußballer weiß jeder, nach gut 90 Minuten ist das Ding rum. Scheint für den Normalbürger ein sinnvoller Zeitraum zu sein, gut einschätzbar. Beim Ausdauersport traut man den Leuten anscheinend nicht… man kann auch nach 90 Minuten wieder zu Hause (oder im Ziel) sein … aber es ginge ja länger, das weckt Misstrauen.

Mehr Zeit als 90 Minuten hatte ich heute auch nicht, eigentlich das perfekte Zeitfenster für einen etwas ausgedehnteren Lauf. Am Vortag schon 70km geradelt … der Himmel überall dunkel nur nicht dort wo ich war. Das macht leichtsinnig. Heute Morgen noch Sonnenschein, das Wetter meint es (offensichtlich) gut mit mir … spielt mir aber letztlich einen gemeinen Streich. Nach dem Mittagessen lockt es mich mit ein paar Löchern in den Wolken nach draußen. Das Zeitfenster ist knapp … aber 90 Minuten sind irgendwie drin. Also lieber aufs Rad – laufen geht eben auch Abends unter der Woche.

Die Strecke richtet sich eher nach dem Zeitfenster … erster großer Fehler. Die Wolken hängen – wie am Vortag auch – tief und rundherum. Soll mich nicht schocken. Ich biege auf eine Runde ab, die ich ziemlich sicher in 1,5 Stunden schaffe. Knapp 40km mit ca. 500 Höhenmetern. Ich wähle die Runde diesmal anders herum als letzte Woche … Abwechslung muss sein. Letzte Woche kroch ich im Tal mit leichtem Anstieg bei Gegenwind nach Hause. Innerlich fluchte ich eindeutig nicht druckreife Dinge.

Heute der gleiche Spaß, aber gleich von Anfang an. Dort wo ich normalerweise locker leicht abfallend um die 40 km/h kurbele trete ich wie ein Berserker in die Pedale, der Tacho verhöhnt mich und mit hängen und würgen fahre ich um die 30. Das erste mal grummele ich leicht in den Wind … keiner hört’s! Nicht nur weil hier gerade niemand mit dem Rad unterwegs ist… der Wind ist zu laut. An sinnlosen Plänen festhalten ist eh nicht mein Ding – an der nächsten Möglichkeit das Tal der Winde zu verlassen biege ich links ab, fahre auf den Radweg und frage mich wie es sein kann, dass eine 90° Abzweigung aus Gegen- nicht Seiten- sondern Rückenwind macht.

Allerdings fährt es sich so wunderbar locker und einfach, dass ich die Fragestellung einfach ausblende und entspannt durch die Ausläufer der fränkischen Schweiz düse. Ein Blick auf den Tacho offenbart noch ein Zeitfenster von gut einer Stunde. Im Kopf plane ich die Route um, fahre weiter in die Richtung, über einen Hügel und habe ihn wieder, den Gegenwind. Ich grummele wieder. Also rechts abbiegen – auf dem Weg zur Bergwertung, aber ich habe den Ort noch nicht verlassen, höre ich entfernt Donner. Also doch.

Schnell anhalten, Regenjacke drüber und Richtung peilen. Der schnellste Weg nach Hause ist eigentlich egal, denn ich bin gerade maximal von zu Hause entfernt. Der direkteste Weg sind gut 15 Kilometer, also ab in Richtung Heimat. Wieder überrascht mich der Gegenwind, obwohl ich vorhin aus der Richtung kommend schon Gegenwind habe. Ich fluche lauter … der Donner übertönt zum Glück alles.

Noch glaube ich trocken anzukommen, der Regen hält sich rechts hinter einem Berg. Allerdings hat er sich wohl auch heimlich von hinten angeschlichen. Neben dem flattern der Regenjacke im Gegenwind höre ich plötzlich schon kleine Regentropfen. Mir kommen noch zwei andere Rennradfahrer entgegen … beide mit besorgtem Gesichtsausdruck – allerdings fahren sie in die andere Richtung (haben sicher gerade Rückenwind). Da ist es aber auch schon zu spät, gut 8 Kilometer von zu Hause entfernt, entscheidet die Natur, die Schleusen zu öffnen.

Aus mehreren Gründen konnte ich das natürlich nicht fotografisch dokumentieren (der wichtigste wäre der Totalverlust meines Smartphones gewesen) … darum das oben zu findende Symboldbild. So in etwa hat es ausgesehen, angefühlt hat es sich nur noch schlimmer.

Die 8km sind der kürzest mögliche Weg – er führt über eine Ortsverbindungsstraße. Ein Stück einen Hügel hoch… alles ist nass. Der Hügel war aber mein Freund, denn der schütze mich vor dem Wind. Der peitschte natürlich nicht nur die Gischt der vorbeifahrenden Autos in mein Gesicht, sondern befüllte auch meine Radschuhe mit dem Spritzwasser. Mir kommt ein weiterer Rennradler entgegen … der Blick spricht Bände. Noch regnet es nur und ist windig. Meine Stimmung passt sich der Farbe der Wolken an.

Ich erinnere mich daran, dass nasse Rennradbremsen nicht bremsen bevor ich abbiegen muss. Immerhin kurz Rückenwind … in Unterlenkerhaltung gebe ich Gas, in der Hoffnung bei höherem Tempo weniger nass zu werden (ja… ich weiß…). Dafür füllt sich jetzt auch der linke Schuh zunehmend mit Wasser. Wieder abbiegen, der Regen wird weniger. Noch 5 Kilometer, alles easy denke ich.

Die Jacke tut was sie soll, erstaunlich was so ein dünnes Ding Funktionstextil alles leistet. Dafür ist aber eben alles, was nicht in der Jacke steckt nass. Beinahe schon versöhnt rolle ich weiter auf die erlösende Dusche zu. Allerdings habe ich kein Mountainbike – also fahre ich eine Schleife. Das Wetter nimmt dafür den direkten Weg und bringt gleich noch ein paar kleine Hagelkörner mit.

Beinahe auf der Zielgerade erlebe ich etwas, das ich so noch nie erlebt habe. Wenn dann in einem warmen Zimmer oder Auto. Auch wenn ich schon im Regen laufen war, aber da war es warm und es war leichter Regen. Auf den letzen 3,3 Kilometern öffnet der Himmel sämtliche Schleusen. Es hagelt leicht, es ist windig … natürlich Gegenwind… aber auch schon egal. Über die Straße schießen dreckige Bäche, auf meiner Fahrspur steht das Wasser Zentimeterhoch. An einer Bushaltestelle sehe ich zwei ältere Herrschaften mit eBikes die mich mitleidig ansehen. Wie ein Berserker hämmere ich in die Pedalen … die Wut steht mir sicher ins Gesicht geschrieben und als ich außer Hörweite von Menschen bin versuche ich durch Urschreitherapie meinem Frust freien Lauf zu lassen.

Der letzte Anstieg steht an – es geht bergan, mir schießt auf der Straße das Wasser entgegen. Unter einem Vordach steht eine handvoll Spaziergänger, die dem irren im Platzregen zusehen, wie er mit ziemlich hohem Tempo den Ansteig hochfährt, sich am Lenker festklammert und stoisch nach vorne starrt. Jetzt nur noch etwas bergab rollen, die Kontrolle behalten.

grumpy roadbike rider

grumpy roadbike rider

Das Wasser ist einfach überall … und um Streß mit Familie und Vermieter zu vermeiden trage ich das Rad hinter das Haus auf die Terrasse. Kippe meine Radschuhe aus und ziehe das aus, was vorher mal meine Socken waren und jetzt als Schwamm durchgeht. Ich versuche mich möglichst auf direktem Weg in ein gefliestes Zimmer zu begeben und staple meine Radklamotten in der Dusche.

Nachdem ich die Tropfspuren in der Wohnung aufgewischt habe geht es in die Badewanne … inzwischen gucke ich nur noch grimmig. Immerhin ist das Badewasser warm, der Kakao dazu auch. Das war sie also … meine erste Rennraderfahrung mit Regen. Immerhin ist jetzt das Rad samt Kette geputzt. Wollte ich eh schon die ganze Zeit gemacht haben…

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3 Kommentare

  1. Schön geschrieben! So wie dir ging es uns wohl allen schon einmal. Bei so einem Wetter rennzuradeln ist purer Kampf, aber dafür ist das Gefühl hinterher umso großartiger, oder?

    Viele Grüße Lars

    • Auf jeden Fall – aber so schnell verändert man sich. Vor zwei Tagen bin ich mit dem MTB durch Matsch und Schnee – um dann bei Gegenwind in Schneeregen zu kommen. Das war irgendwie gar nicht mehr so schlimm ;-)

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