#SCHLEM 2018 – und dann kam die Wende, unser Leid war zu Ende

Es ist vielleicht ein komischer Zufall, dass ich nach so langer Zeit hier mal wieder einen geschrienen Blog veröffentliche, oder vielleicht auch nicht.

Vielleicht deswegen nicht, weil manche Dinge einfach so passieren. Dinge wie, dass da ein ziemlich cooler Typ irgendwann nachts in seiner Einfahrt meint Runden laufe zu müssen. Dinge wie, dass mir dazu gleich ein Name einfällt und Dinge die dazu führen, dass die äußerst verrückte Idee auf einer 177 Meter lange Strecke ein Marathon gelaufen werden kann in dem man 476x um Hütchen läuft.

Aber mal ehrlich, ich glaube nicht an Zufälle. Dinge passieren ganz oft mit gutem Grund und deswegen schreibe ich hier einen Bericht über ein aussergewöhnliches Ereignis, wie verrückt das für mich und meine Familie war und warum am Ende so viele Menschen einfach nur glücklich sind.

Nun aber eins nach dem anderen. Nachdem der Meister der kleinteiligen Ausdauersportbetätigung (laufen auf Treppen, in Treppenhäusern, Einfahrten sowie das sportmässige Besteigen von Stühlen) Schluppenchris beschlossen hatte, die verrückte Marathon Idee in die Tat umzusetzen guckte ich aus dem weit entfernten Bayreuth auf den nahen Bildschirm meines digitalen Endgeräts, freute mich für Chris und war ob des Datums Ostermontag irgendwie sicher, dass ich da wohl nicht teilnehmen können gewesen sein könnte…oder so.

Es verging einige Zeit und die ersten Zu- und Absagen für den SCHLEM trudelten ein. Schon allein wegen der Osterfeiertage war die Teilnahme raus, die 450 Kilometer einfach kamen noch dazu. Allerdings wurde ich dann doch verlockt, habe etwas hin und her überlegt um schließlich das Finale Gespräch mit der besten Bekloppten-Ehefrau (man beachte bitte den Bindestrich!!) der Welt zu suchen. Was dann geschah, war der Anfang von etwas ganz verrücktem. Wenn meine Frau auf derartige Fragen mit einem lockeren „Na kannst du doch machen.“ antwortet ist das die Eintrittskarte in etwas besonders beklopptes.

So richtig Gedanken über das was da so kommen mag habe ich mir im Vorfeld nicht gemacht, immerhin ist das Training aktuell voll auf den METM und danach den Stubai Ultratrail ausgerichtet. Die Jahreskilometer trudeln so ein, also wird so ein kleiner Einfahrtsmarathon auch schon gehen. Allerdings ereilte mich am Ende des letzten Trainingsblocks erst eine fiese gemeine Entlastungswoche und dann 7 Tage später der erste Infekt seit bestimmt 7 Monaten.

Beides in Kombination schlug mir dann ganz plötzlich auf die Stimmung. Auf einmal erschien mir das Vorhaben zusammen mit meiner Familie 450 Kilometer an den Osterfeiertagen durch halb Deutschland zu fahren um einen Marathon in einer Hofeinfahrt zu laufen ganz absurd. Irgendwie auch kein Wunder, wenn ma das mal so ausformuliert, oder?

Nur gekniffen wird nicht und die Lust kommt ja bekanntlich immer beim Laufen, oder etwas vorher. Also haben wir am Ostersonntag (!) die Koffer gepackt und uns auf den Weg nach Westfalen gemacht. Lockere 450km vom schönen Bayreuth entfernt machte sich die SCHLEM-Reisegruppe bestehend aus 1 Läufer und 2 Hardcore-Fans auf den Weg. Ab ins Hotel und noch ein Restaurant für das Abendmahl gesucht, wo wir sogar höchstpersönlichen Besuch vom Racedirector himself bekamen um über die anstehende und die übernächste Beklopptheit sinnierten sowie von vergangenen Beklopptheiten schwärmten. Ein wunderbarer Einstieg.

Am SCHLEM-Morgen wurde es kurz noch hektisch. Praktisch – ich habe das Finisher-Foto von der Verkehrsüberwachung Hamm direkt im Vorfeld anfertigen lassen. Höchstwahrscheinlich wird es zwar pixeliger und nur schwarz-weiß sein, aber höchstwahrscheinlich ist es günstiger als eines der üblichen Bilder von Marathon-Photos!

Dennoch trudelten wir am Ort des Geschehens gerade noch rechtzeitig ein. Dachte ich noch ich hätte besser ein kurzarm Shirt eingepackt war ich mit Langarm plus Langarm-Sportjacke recht gut gerüstet, auf der weitläufigen Laufstrecke wehte ein ganz schönes Lüftchen. Der erste Blick über das Geläuf bereitete aber direkt große Freude. Immerhin hat Chris die Strecke liebevoll und detailreich hergerichtet.

Die Strecke wurde nicht nur mit einem Maßband vermessen, gekehrt und mit einer Wasserwage auf den Höhenmeter, entschuldigen Höhenzentimeter genau untersucht, nein es waren 1A platzierte Hütchen zu sehen und das Markenzeichen erstklassiger Stadtmarathons. Nur echt mit den drei blauen Streifen. Es gibt Start- und Zielbanner, ausgeschilderte Toiletten und Duschen. Ein Stimmungsnest, eine Laufuhr, einen professionellen Fotografen, ein hochkarätiges Starterfeld, Chill-Out-Area für die Zuschauer und natürlich 238 Verpflegungspunkte (naja eigentlich sogar 476). Apropos VP, dieser war erstklassig ausgestattet. Unzählige Kuchen in Veganer und Non-Veganer Ausfertigung, Brühe, Kaffee, Getränke jedweder Couleur, Knabberzeugs und Snacks. Nicht zu vergessen der liebevoll gestaltete Starterbeutel. Alles wie bei den Großen, nur mit sehr viel mehr Herzblut, Detailverliebtheit, Laufliebe! Von Läufer für Läufer eben. Ganz tolle Sache Nina & Chris!!

Nun aber genug geschwärmt, es geht ans eingemachte. Wir stehen am Start ähm Ziel ähm Hütchen, also da wo wir noch ein paarmal vorbei kommen. Aufgrund einem Mangel an anderen Möglichkeiten habe ich mich für die Rundenzähl-Methode entschieden. GPS ist auf der kurzen Strecke sicher nicht zuverlässig (was sich später auch so zeigen wird). Also brav die Uhr gestartet. Wir zählen runter, es geht los.

Am Anfang geht es ums eingrooven. Rhythmus finden. Für mich habe ich das ganze als Ultraveranstaltung eingeordnet. Mal ehrlich, das ist nicht wirklich ein Marathon.

Es ist – loslaufen – etwas abbremsen – 180° Kehre – wieder anlaufen und zwar 476x. Das ist was für den Kopf, so ist der SCHLEM schließlich auch entstanden und mit diesem Mindset gehe ich da ran. Ich will meinen mentalen Trainingszustand testen, vor allem nach dem kleinen Tief der letzten zwei Wochen. Wenn ich mich mal selbst über den grünen Klee loben müsste zum Thema Ausdauersport, dann ist es die Rübe. Gewonnen und verloren wird zwischen den Ohren. Mental habe ich einen völlig verkackten Marathon noch 12km ins Ziel gebracht, mental habe ich die Nacht auf der Nordschleife auf dem Rennrad überstanden, mental überstand ich die Dreierseilschaft, mental finishte ich meinen ersten Ultrawettkampf an einem echt körperlich miesen Tag, mental überstand ich den krassesten Hungerast den ich je erlebt hatte mitten im Hochgebirge und mental lief ich nach einem krassen Sturz und einer Verletzung bei KM 21 noch den 50km Lauf ins Ziel. Nennt mich Ultrabrain.

Kürzlich unterhielt ich mich mal wieder mit einem Kollegen über meinen Freizeitvertreib. Also ich so Distanzen nannte kam die Frage aller Fragen … „Was denkst Du denn die ganzen Zeit?!?!?!?“. Er hat nicht so richtig verstanden warum ich mit einem seeligen Grinsen auf dem Gesicht „Na…. nichts!“ gesagt hatte.

Genau dafür ist so ein SCHLEM da, so wollte ich da rangehen. Mich darauf einlassen. Dafür sein nicht dagegen. Eins werden mit der verrückten Idee und es einfach passieren lassen. Und es klappte. Anfangs lief ich drauf los, dann baute ich mir Zahlenhäuschen die meine Anlaufstellen waren. 50, 100, 119, 150, 178, 200, 228 … das sollten meine Anlaufstellen sein.

Der Körper lief – teilweise wie ein Uhrwerk, teilweise sehr fokussiert und auf Druck, teilweise locker. Er machte einfach was er sollte. Laufen, wenden, laufen, wenden. Es war nie richtig anstrengend aber auch nicht zu einfach. Vor allem im Spurt auf das nächste Zahlenziel geriet ich mehr und mehr in den Strudel und lief, lief, lief. Der Blick unter der Cap leicht nach vorne auf den Boden. Einfach laufen. Einfach sein. Nur ich, die Bewegung und sonst nichts. Der berühmte Tunnel!

Teilweise war ich so vertunnelt, dass ich vergessen habe am Wendepunkt abzudrücken. Dann drückte ich eben später ab, die Rundenzeit pendelte im Schnitt zwischen 0:56 und 1:05 pro Runde, da fällt fehlendes abdrücken schon mal auf. In den absoluten Flow-Phasen waren das umgerechnet 5:30er Pace Runden gewesen, was mit der Wende gar nicht so einfach war. Aber es fühlte sich gut an.

So verschwand ich für einige Zeit von der Bildfläche, von der Erdoberfläche, zurück blieb nur der laufende Teil von mir. Mein Geist verabschiedete sich an einen ganz anderen Ort. Es ist die große Art der Meditation. In der kleinen zählt man wiederkehrendes wie den Atem, in der großen Version läuft man hin und wieder zurück. Das Ergebnis ist das gleich. Es fühlte sich an wie eine Meditation, eine sehr lange. Das hinterlies mich sehr glücklich und zufrieden.

Bei den 6 VP-Pausen verpflegte ich mich nur mit Colawasserschorle und TUC-Crackern. Einmal gab es eine Suppe. Aber auch das war eine tolle Sache. Keine Probleme, kein Hungerast, kein Einbruch. Das Gespann aus Körper und Geist machte einen echt ordentlichen Job.

Dazu kamen die tollen Momente, meine liebe Frau die mal mitlief oder mein Sohn der eine Runde drehte oder Läufer abklatschte, ebenso wie die Runde mit dem Race-Director Schluppe.

Letztlich verging die Zeit wie im Flug. Es wurde nie langweilig und immer guckte man in seelige Gesichter nach der Wende. Alle waren offensichtlich happy in der Mega-Meditations-Waschtrommel immer im Kreis gewirbelt zu werden.

Als es zweistellig wurde, was noch zu laufen war, war der Ding für mich im Kasten. Noch 99, noch 80, noch 70, noch 50, noch 20. So zählte ich. Weil ich Angst hatte mich verstoppt zu haben lief ich in den letzten 30 Runden noch 2 Zusatzrunden, die Endauswertung zeigt sogar dass ich 6 Runden mehr gelaufen bin als gedacht.

Die letzte Runde begleitet mich mein Holde und auf der letzten Hälfte noch der Sohn. Wo gibt es das sonst. Die Erleichterung das Ding gerockt zu haben, das Bewusstsein, es so locker abgelaufen zu haben, das Glück, die Zufriedenheit. Alles stimme auf den Punkt. Ich habe mich gefühlt wie nach den ganz großen Dingern. Einfach … nur … happy! Am Ende dieses Tunnels steht immer ein neuer Anfang. Dazu passt dieses Zitat von letztem Jahr:

Auch nach 238 Runden in einer Einfahrt stelle ich mir die Frage, wie ich denn wieder in die „normale“ Welt passen soll. Es gefällt mir doch so gut hier drüben, dort wo ich die Menschen verstehe und sie mich. Wo wir gleiche Interessen Teilen. Wo wenig wichtig ist, in der es auf den Menschen ankommt und wie sehr er bereit ist sich selbst kennenzulernen und es nicht um Oberflächlichkeiten geht. In der man dem anderen den Kuchen in die schnellere Pace gönnt.

Ich merke, dass es mir immer schwerer Fällt diese Frage zu beantworten. Ein wenig war dieser SCHLEM wie Alice’s Wunderland. Man stürzt sich hinter dem Kaninchen in eine andere Welt voller Absurditäten und später wacht man auf und weiss nicht mehr so genau was das für ein Traum war.

Davon ab, kann ich mir keine bessere Beschäftigung für dieses Osterwochenende 2018 vorstellen. Meine Liebe für solche verrückten Dinger, für die mit Herz veranstalteten Einladungsläufe – die Craft Läufe – ist groß. Ich freue mich bei Nina und Schluppe gewesen zu sein und wieder viele neue Leute getroffen zu haben.

Als kleiner Ausklang noch etwas für alle daheimgebliebenen. Viel Spaß!

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3 Kommentare

  1. „Wenn meine Frau auf derartige Fragen mit einem lockeren „Na kannst du doch machen.“ antwortet ist das die Eintrittskarte in etwas besonders beklopptes.“

    Ich hab meiner Holden gestern vom SCHLEM erzählt.

    „Hört sich lustig an. Hätten wir auch hinfahren können.“
    „Hä. Aber es war doch Ostern.“
    „Na und?“

    Das war der Freibrief für den SCHLEM Nr. 2. Wollte ich hier nur mal dokumentieren. Falls sie dann nichts mehr davon wissen will.

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