Jeder, der sich schon einmal mit Laufwettkämpfen auseinandergesetzt hat, kennt sie. Jedes Wochenende werden sie hundertfach, tausendfach vielleicht sogar millionenfach angefertigt. Die Fotos, die in Internetforen kursieren, die auf Plakaten landen, die man auf Zeitungen druckt, die jeder gerne herumzeigt. Sie zeigen lachende, fröhliche Menschen die – vor allem auf der Ziellinie – irgendwelche Faxen machen. Winken, Moonwalk, spontane Liebeserklärung, Handstand, Hände in den Himmel und vor allem stets ein lockeres Lächeln im Gesicht.
Das ist … UNGLAUBLICH! Ja wirklich! Ich hab keine Ahnung, was die alle vor dem Lauf eingeworfen haben, aber bei jeglichen Fotos die von mir in der Nähe einer Ziellinie entstanden sind, zeigen eher das krasse Gegenteil und ich stehe dazu weswegen ich diesen Blog tatsächlich mit „original footage“ untermale – durchaus im Wissen, das dies für mich keinesfalls positiv ist. Immerhin – das hat mich sichtlich beruhigt – bin ich bei weitem nicht der einzige, dem es so geht!
Noch schlimmer wird es übrigens, wenn aus dem Foto ein Zieleinlaufvideo wird, dann wird einem das Ausmaß des Grauens erst recht bewusst. Man quält sich durch das Training, läuft im Wettkampf an der Leistungsgrenze … ist sich sicher, alles, aber wirklich alles gegeben zu haben nur um dann auf dem Video einen Typen angestrengt mit mauem Tempo über die Ziellinie laufen zu sehen und in 5 Sekunden ist alles vorbei. Puff… alle Träume geplatzt.
Sorry, aber wer braucht denn das? Die eiskalte objektive Realität die diese Fotos und Videos uns vorhalten nehmen uns die Freiheit, daran zu glauben elfengleich und pfeilschnell unterwegs gewesen zu sein.
Natürlich kann man das weiter vor einem selbst rechtfertigen – denn wer alles gegeben hat, hat nunmal keine Energie mehr für ein freundliches Fotogesicht oder für in den Himmel gereckte Hände. An dieser Stelle möchte ich auch daran erinnern, dass Jubel, Freudensprünge ebenso wie Schmerzensschreie, vorzeitiges Übergeben oder andere lauffremde Tätigkeiten vor der Ziellinie zur Verlust von Bestzeiten führen können!
Viel wichtiger als das objektive Foto ist doch das subjektive Glücksgefühl, das man hinterher hat, das Gefühl alles das gegeben zu haben was man wollte. Das Ziel erreicht zu haben, egal wie schnell – aber eben mit vollem Einsatz. Kein besseres Gefühl als diese wunderbare Müdigkeit am Wettkampftag die sich wie eine rosa Wolke in einem ausbreitet und auf der man sich wunderbar ausruhen kann … und träumen. Zum Beispiel davon, dass man ganz subjektiv pfeilschnell, elfengleich und wie ein Hollywoodstar durchs Ziel gesaust ist.
Kein Zielfoto der Welt ersetzt dieses wunderbare Gefühl!
Bildquelle des Beitragstitelbildes: (c) Zurich Marathon 2015 (unter Lizenz CC BY-ND 2.0)
Du musst das so sehen: wenn du noch Kraft für ein entspanntes Zielfoto hast hast du im Wettkampf nicht alles gegeben ;-)
Genau das versuche ich mir ständig einzureden. Aber spätestens beim Video sieht es dann eher so aus, als hätte ich mich die ganze Zeit ausgeruht :-D