Bester schlecht vorbereiteter Marathon

Der Mensch braucht Ziele, während ich letztes Jahr in der Kategorie, beste Marathon-Zeit mit 10km Humpelgehen ziemlich weit nach vorne gekommen bin, hab ich mir für den diesjährigen Berlin Marathon ein größeres Ziel gesetzt. Ich möchte für mich den besten schlecht vorbereiteten Marathon laufen. Mit ca. 500km Laufleistung seit dem 27. September 2015 hab ich schon sehr stark … ähm schwach … ähm also… ihr wisst schon… vorgelegt. Zusätzlich dazu habe ich innerhalb der ersten 28 Tage Trainingsplan schon 5 Einheiten ausfallen lassen.

Ich bin also absolut fokussiert auf das Ziel. Und heute dann das! Den letzten 30er lief ich am 13. September 2015, mitten im Umzugsstress und bereits mit Schmerzen. 30,58km in 6:31 erhumpelte ich mir – ich litt erbärmlich. In der Vorbereitung lief ich 4x lang. Zwei mal 35, dann 28km nachdem ich am Vortag mit Schmerzen abgebrochen habe und dann eben den oben genannten 30er.

Bei der Rückbetrachtung hatte ich 2015 schon eine fulminant schlechte Vorbereitung hingelegt, wie sollte ich das also noch unterbieten – da kommen mir natürlich die 359km die ich dieses Jahr gelaufen bin gerade recht.

Also halten wir fest, letzter 30er am 13. September. Längster Lauf seitdem Berlin Marathon oder auch im aktuellen Training – der erste „lange“ im Steffny Plan war über 22km vom 24.07. den ich bei brütender Hitze erlaufen habe. Danach kommen schon 18km die ich in 110 Minuten aus dem Trainingsplan erlaufen habe.

Längster Trainingslauf seit 11 Monaten, längster Lauf 2016, zweiter Lauf über 20km seit dem Berlin Marathon. Das alles stand endlich an, nachdem ich die zwei anderen langen Rad am Ring und dem Frankenwald Radmarathon geopfert hatte.

Letztlich stand gestern noch 60 Minuten in 6:30er Pace im Plan, die ich erstmal dem schlechten Gefühl geopfert habe. Wie schon vor kurzem passt der Samstag wohl nicht mehr in meinen Biorhythmus. Auch letzte Woche fühlte ich mich ziemlich schlecht, kein Wunder, aktuell arbeite ich recht viel. Dafür gab es genug im Garten zu tun und gegen 22:00 Uhr fiel ich ins Bett. Vorher hatte ich schon – contra Schweinehund! – alles rausgelegt und den Wecker auf 5:00 Uhr gestellt.

Pünktlich wurde ich wach, schleppte mich in die Küche um Kaffee und Nutellatoast bereitzustellen und lange genug im Internet zu stöbern bis die Gefahr einer Busch-Pause gebannt war.

In der Uhr war die Einheit aus dem Plan gespeichert, wie immer mit +/- 5 Sek/KM also 6:05 bis 6:15 für die 30km in 6:10 die laut Steffny heute zu erlaufen waren.

Ja was soll ich sagen – bereits auf den letzten 3km bis zur Wendestelle (dort geht es leicht bergab) piepte die Uhr und zeigte 6:04er Pace für die ersten 15km.

Was dann geschah, war unglaublich! KM 29 hat mich vollends geflasht!

Ich mag Pendelstrecken für lange Läufe – im Kopf lege ich einen Schalter um, wenn ich umdrehe und schalte auf Autopilot. Da es nach dem Wendepunkt erstmal bergauf ging, dachte ich – ich laufe mir auf den KM 11-15 einen kleinen Vorsprung heraus, denn ich hatte Null Ahnung was passiert, wenn man 30km laufen möchte und es schon so lange nicht mehr getan hat.

Mein erster 30er war ein großes Ding, als ich ihn lief und auch später hab ich die langen Kanten immer sehr ernst genommen. Auch diesmal – nach der langen Pause und den Leistenproblemen war der Lauf heute eine Blackbox.

Nach der Wende drückte ich mir einen Gel Shot rein, etwas, dass ich letztes Jahr noch nicht gemacht habe, allerdings habe ich dieses Jahr auch beim Radfahren mein Ernährungskonzept angepasst, bisher mit Erfolg. Genug Salz, genug Kohlehydrate und etwas zu trinken.

Seit geraumer Zeit beschäftige ich mich mit Yoga und auch mit Meditation. Seitdem ich das halbwegs erfolgreich hinbekomme weiß ich aber, dass ich das vorher schon gemacht habe. Gerade ein langer Lauf ist eine prima Meditation.

So bei Kilometer 17 packte mich dieses Gefühl, dass ihr sicher alle kennt. Das Gefühl, dass alles stimmt – das Körper und Geist in Einklang sind und man im Flow läuft. Flow … Delirium … Eskalation.

Alles das gleiche. Bis Kilometer 23 lief ich weiter relativ konstant aber schon schneller als Zielpace, danach lies ich es laufen um zu sehen was die Muskeln aushalten – und sie hielten ganz schön was aus.

Konstant konnte ich das Tempo erhöhen und auch wenn es abwärts ging, sind 5:10er Pace da nicht ganz ohne. Ich lief mich in den Rausch … kein Runner’s World *duzi duzi* Runners High … sondern ein knallharter Strudel (nein, hier geht es ausnahmsweise nicht um Backwerk).

Ich war so geflasht davon, was mein Körper nach der langen Zeit zu leisten im Stande ist und was offensichtlich das Lauf- und Radtraining bewirkt haben. Ein langer Lauf mit gesteigerten Tempo kann ruhig unangenehm sein, aber ich hatte die letzten 5km immer das Gefühl noch ein wenig pushen zu können.

Auf dem letzten KM dreht ich dann den Gashahn vollends auf 4:52 … das übersteigt sogar meine Greif-Endbeschleunigung aus dem letzten Jahr. BAM!!

30km Longjog Endbeschleunigung

ich hab es nicht gewollt (aber es war geil!)

Was soll man da sagen? Als ich sah, dass ich die Einheit mal locker 15 Sekunden schneller als Plan gelaufen bin, als ich in mich hinein hörte und feststellte, dass das nicht alles war und als ich rekapitulierte wie mühelos der Lauf war… war ich einfach baff. Baff und Happy.

Vor ca. 3 Monaten war die OP Narbe noch ganz frisch und heute laufe ich etwas aus dem Nichts, was ich mir vor einem Jahr kaum zugetraut hatte.

auch der Pulsverlauf ist für einen Longjog ganz OK

auch der Pulsverlauf ist für einen Longjog ganz OK

Eine andere Erkenntnis ist in den letzten Wochen gereift. Ich habe schon Ewigkeiten nicht mehr so „locker“ trainiert. Das tut mir sehr gut und offensichtlich auch der Leistungsentfaltung. Das Greif-Training war durch die super Zeiten im Frühjahr 2015 wirklich am Leistungsmaximum, dazu Radtraining und der Stress mit Job und Umzug – das war nicht wirklich gut.

Aktuell habe ich 2-3 Ruhetage in der Woche, auch wenn die Wochenenden zuletzt immer Maximalleistung bedeutet haben. Die Regeneration macht diese Leistungen möglich. Ich regeneriere relativ schnell, deswegen habe ich auch so viel trainiert, weil es ging – das war sicher gut für die Grundlage, von der ich jetzt zehre, aber für den Abruf der Bestleistung war das wohl zu viel. Ich werde den Plan weiter durchziehen, dazu etwas Rad hier und da und Yoga um die schiefen Knochen wieder zu richten.

Immerhin steht noch ein bisschen Chaos an, im Urlaub fahre ich immerhin die Cyclassics 155km Runde (im Plan steht ein 10K Rennen … das geht denke ich in Ordnung) und ich laufe einen Halbmarathon mit 300HM (aktuell laufe ich die vielleicht in einer Woche).

Die erste Hälfte des Trainingsplans wäre dann vorüber und obwohl ich mir viel Mühe gebe, läuft es aktuell sehr gut. Mein Ziel den besten schlecht vorbereiteten Marathon zu laufen rückt immer mehr in weite Ferne. Bleibt also noch das Sekundärziel – eine offizielle Bestzeit erlaufen, denn mein Läuferstolz hat mich bis heute davon abgehalten meine Zeit von letztem Jahr als Marathon Bestzeit anzugeben, denn das ist alles aber keine Bestzeit.

Ich bin gespannt was in Berlin passiert und ich bin auch gespannt was im Trainings-Battle zum Marathon mit Andre noch passiert :-)

 

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6 Kommentare

    • richtig oder falsch ist eigentlich egal – ich habe ja so oder so wieder den Spaß am Sport wiedergefunden … wie so oft schlägt da aber auch die selbsterfüllende Prophezeiung zu, ist der Kopf auf Spur geht der Rest offensichtlich leichter mit.

  1. Das ist ja der Hammer! Bei mir scheint es sich aber auch zu bewahrheiten, daß die besten Leistungen kommen, wenn man sie am wenigsten erwartet. Wahrscheinlich ist man lockerer und geniesst mehr, wenn man ohne Leistungsdruck in ein Rennen geht?

    • Hey Daniel, ja das glaube ich auch. Auch letzte Woche – also 2 Wochen nach Berlin – bin ich einfach ohne Erwartung einen 30er gelaufen und selbst das lief besser als der Marathon. Klar guckt man dann in die Daten … letztes Jahr im Frühjahr lief ich die gleiche Strecke fast 1 Minute pro KM schneller, so what …

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