Marathon

Warum Läufer nicht erfolgreicher sind!

Weil sie ganz normale Menschen sind.

So, absoluter Blogger Fauxpas. Ich habe die im Titel aufgeworfene Frage innerhalb von 0,01 Sekunden beantwortet und alles was jetzt kommt wir keiner mehr lesen. Aber halt:

Grund 4 wird euch umhauen!

Es ist aber auch zu einfach, dem „Volk“ aufs Maul zu schauen. Mit Volk meine ich vor allem die kommentarstarken Facebook- und Beitragskommentatoren der großen Online-Medien. Letztlich tue ich mir das immer seltener an, aber heute war es mal wieder so weit. Zeit Online hat ein recht verkürzt überschriebenes Interview mit Andreas Butz veröffentlicht. Ich zitiere kurz den Facebook-Teaser.

Jeder zehnte Manager läuft Marathon, aber nur jeder 600. Deutsche. Warum Läufer mehr Geld verdienen und erfolgreicher sind als andere, erklärt der Trainer Andreas Butz.

Mit dieser Frage und der ebenso fragwürdigen Argumentationskette möchte ich mir gar nicht beschäftigen. Viel mehr habe ich den Kommentatoren aufs Maul, ähm ich meine natürlich auf die Finger geguckt. So als Hobby-Läufer ist man ja hin und wieder doch interessiert, wie der eigene Sport so in der normalen Welt wahrgenommen wird. Darum hier ein best of!

Best of Internetkommentare

Aus dem tatsächlichen Lebensinhalt eines Läufers ist folgendes Zitat gerissen

Wobei ich gerne wissen würde, wie viele Chefs es gar nicht so prickelnd finden, wenn das Personal Marathon läuft, denn durch die zeitintensive Vorbereitung und die vielen Rennen bleibt wenig Gelegenheit für kurzfristig gewünschte Überstunden („Sorry Chef, heute abend habe ich Tempotraining“) oder Zusatzarbeiten am Wochenende („Sorry Chef, aber Sonntag laufe ich in London“). Von den möglichen belastungsbedingten beruflichen Auszeiten mal ganz abgesehen…

Wir wissen schließlich alle, dass kaum ein Läufer sein Hobby vor Familie und Job stellt. Wobei mir der Gedanke gefallen würde. Sorry, muss das Meeting absagen, ich muss einen LaLa machen. Die „vielen“ Rennen sind auch nicht wirklich das, was unseren Sport auszeichnet. Also wenigstens wenn es um Marathon geht.

Die Zeit beschäftigt den Normalbürger wohl am meisten, schön zugespitzt dieser Kommentar

Sensationelle Studie:
Männer sind erfolgreicher, wenn sie sich weniger um die Familie kümmern!
Eine Studie unter deutschen Topmanagern hat ergeben, dass, je weniger Zeit diese mit ihren Familien verbringen, diese umso erfolgreicher sind. (…) Wer dazu die verbliebene Zeit lieber joggt, statt diese mit der Familie zu verbringen, hat damit quasi den Jackpot.

Der selbstsüchtige Manager-Typ der „joggt“ um sich nicht um seine Familie kümmern zu müssen. Egal ob Manager-Typ oder nicht, wer irgendetwas über einem anderen Mensch/Ding/usw. ordnet hat ein anderes Problem. Nicht die Sportart beeinflusst solche Verhaltensweisen.

Letztlich kommt dazu auch immer wieder eine Argumentation, der ich mir selbst hin und wieder ausgesetzt sehe. Als Schreibtischtäter würde ich ja nicht richtig arbeiten, findet auch dieser Facebook Komentator

Haben ja genug Zeit dafür und kommen auch nicht Abends kaputt von der Arbeit

Aber letztlich haben uns die Kommentatoren eh schon entlarvt.

Stimmt nicht. Marthonläufer gelten bei vielen Personalern als geltungssüchtig und nicht teamfähig.

meint eine Kommentatorin, tja so ein Mist. Das passt auch zu der Frage dieses Schreibers

Ist ja nicht gerade ein Teamsport. Was soll uns das sagen?

Was uns das sagen soll? Wahrscheinlich, dass Menschen die (auch) in Teams arbeiten nicht 24/7 mit irgend welchen anderen Leuten abhängen wollen. Zudem wird wohl auch die Funktion der Führungskraft etwas falsch eingeschätzt. Wenn es eine Entscheidung zu treffen gilt, hält selten ein ganzes Team den Kopf hin.

Dieser Sport ist einfach nicht gut für uns. Unkooperativ sieht das der Nichtläufer. Unsere Beweggründe scheinen nicht wo anders angekommen zu sein, zeigt die Kommentatorin

Mich wundert, dass mit keinem Wort ein Hauptmotiv des Sports erwähnt wird, nämlich die Konkurrenz. Es kommt den meisten Erfolgsmenschen ja nicht nur auf die Bewegung an (…) sondern darauf, andere zu überholen und erste zu werden. (…)ansonsten ist doch der verstauchte Knöchel des Konkurrenten ein Grund zur Freude. Nicht unkritisch würde ich auch die Glücksgefühle durch Endorphine sehen, die ähnlich abhängig machen können wie Drogen. Immer aktiv, immer auf Runner’s High … ich weiß nicht, ob ich mir ideale Personalführung so vorstelle, vor allem im Hinblick auf diejenigen, die nicht diesem gestählten Typ entsprechen.

Kaum ein Hobby-Sportler läuft aus Konkurrenz gegen irgend jemand anders. Selbst der kurzzeitige Kick im Endspurt ist keinesfalls personalisiert sondern immer das Rennen gegen den eigenen Schweinehund. Zudem habe ich noch nie (!) erlebt, dass wenn man abbremst, geht oder ein schmerzverzerrtes Gesicht macht nicht jemand fragt ob alles gut ist, ob man helfen könne usw.

Letztlich wird auch der Runners High etwas überschätzt. Der Hype scheint ja riesig zu sein, wenn man drogenähnliche Verhaltensweisen unterstellt. Liebe Nicht-Läufer – falls ihr das lest – das ist nicht wie Droge, sondern einfach nur Entspannung im Kopf.

Alles in allem zeigen die Kommentare eine relativ deutsche Sicht auf das Leistungsprinzip (und ein klein wenig Neiddebatte). Wer bereit ist etwas mehr zu tun (was dann auch noch keinen „Sinn“ macht) ist suspekt.

Ich bin selbst kein Top-Manager, ich bin nur eine poplige kleine Führungskraft und habe weder positive noch negative Einflüsse auf meinen Job bemerkt.

Weder meine Teammitglieder interessieren sich irgendwie für meinen Sport noch geht das Interesse der übergeordneten Ebene über reines Small-Talk Niveau hinaus. Beruflichen Erfolg (oder Misserfolg) mit dem zu verknüpfen, was man in der Freizeit tut ist Alchemie. Letztlich verdienen Coaches mit solchen Hokus-Pokus ihr Geld.

Machst Du dies, besteht Chance auf das. Das mag ja sein – Laufen entspannt und macht den Kopf frei, baut Stress ab und hilft das ein oder andere Problem zu lösen. Höchstwahrscheinlich trifft das aber auch auf Gartenarbeit, Modelleisenbahnen oder Kulturbesuche zu.

Läufer sind eben einfach nur Menschen.

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