Bildquelle: Karl-Heinz Laube / pixelio.de

Und plötzlich ist der Ofen aus…

Stress Gesundheit Job Laufen

Bildquelle: Karl-Heinz Laube / pixelio.de

Dem Hobbyläufer wird ja viel nachgesagt. Manchmal zu recht, manchmal zu unrecht. Wobei es – und so ist der Läufer eben auch ein ganz normaler Teil der Gesellschaft – stets Exemplare gibt, die alles darum geben Vorurteile vollumfänglich zu bedienen.

Beispielsweise geistern die Bilder der laufsüchtigen Sportler durch manche Köpfe. Menschen bei denen der Laufsport so eine hohe Priorität hat, dass sie Familie, Umfeld und auch Gesundheit unterordnen. Pausiert wird nur bei Fieber oder man wirft sich mal eben eine Schmerztablette ein, damit die nächste Trainingseinheit nicht in Gefahr ist. Das was vom Studienfach Statistik übrig geblieben ist, reicht aus um zu erkennen, dass der prozentuale Anteil an Spinnern unter Läufern ähnlich hoch sein muss wie in der Gesamtbevölkerung. Also ist das nicht weiter verwunderlich.

Diesem – zugegebenermaßen nicht wirklich tiefschürfenden – Gedankengang, ging gestern ein Lauf voraus in finsterer Nacht. Bei ziemlich gemeinen -1°C und während ich tagsüber noch das Überbleibsel meiner Erkältung aus dem Leib gehustet habe. Aber… Rückblende:

Im Job geht es gerade hoch her. Nicht erst seit kurzem, eigentlich schon seit November/Dezember. Irgendwo darin habe ich es geschafft meinen Bewegungsdrang umzusetzen. Obwohl … Drang … das klingt schon wieder so schrecklich obssesiv. Viel mehr ist der Ausdauersport ein wunderbarer Regulator. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass das „Vernunftzentrum“ im Hirn bei Ausdauerbelastungen heruntergeregelt wird. Ich bitte natürlich alle mitlesenden Neurochirurgen und Neurobiologen meine Unbedarftheit zu entschuldigen … allerdings kann ich so etwas auch an mir selbst beobachten.

Hin und wieder gehe ich auf den ersten Kilometern mit mir oder Dingen, die mich bewegen, hart ins Gericht. Ich kann mich allerdings an keinen Lauf, der länger als 30 Minuten dauerte, erinnern bei dem ich grübelnd oder schlecht gelaunt wieder nach Hause kam. Besonders wenn ich länger unterwegs bin, kommt es mir so vor, als könnte ich das „herunterfahren“ direkt spüren.

Laufen hat eine besonders tolle Eigenschaft, die ich erst mit der Zeit zu schätzen gelernt habe. Man bewegt sich in einer Geschwindigkeit voran, in der das Gehirn all das problemlos verarbeiten kann, was rund um einen herum passiert. Laufe ich z.B. an einem Wegweiser vorbei, sehe ich den lange genug um ihn zu erkennen, die verschiedenen Wanderrouten und Entfernungen zu lesen, mir Gedanken zu machen ob ich das nächste mal der Route folge usw. … mit Rad oder Auto bleibt nur der Tunnelblick. Während man also genügend Zeit hat, das aufzunehmen und zu verarbeiten was so rund um einen passiert, kümmern sich irgend welche Botenstoffe zusätzlich darum, dass man keine Zweifel daran bekommt was man da tut. Man könnte fast meinen, die Evolution hat dafür gesorgt, dass Ausdauersportler gar nicht erst auf die Idee kommen, während der Belastung die „warum“-Frage zu stellen, sondern einfach dort sind wo sie sich gerade befinden. Was für eine tolle Erfindung.

Dieser Effekt und die Tatsache, dass ich an Sport-Tagen so wunderbar fest schlafe, sind gute Gründe dafür, auch an stressigen Tagen die Zeit zu suchen Sport zu treiben. Das hat die letzten Wochen auch erstaunlich gut funktioniert. Letztlich greifen dabei viele Dinge ineinander. Stress hat man im Regelfall ja nicht, sondern man macht ihn sich. In solchen Wochen, in denen es trotz viel Trubel im Job mit dem Ausgleich läuft, ist alles prima. Teilweise habe ich mich selbst schon gewundert, wir ruhig ich in manchen Situationen geblieben bin.

So lief das – wie ein perfekter Kreislauf. Aber perfekte Kreisläufe haben die unschöne Eigenschaft relativ leicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Nun stand letzte Woche eine wirklich heiße Phase in der Arbeit an. In meinem Kopf war unter der Woche ab Mittwoch sowieso schon kein Training mehr eingeplant. Es kam aber noch einen ticken härter als ich dachte. Die Kombination aus zu wenig Schlaf und zu viel Arbeit nutze mein Immunsystem gleich um einen Tag der offenen Tür zu veranstalten, mit dem Ergebnis, dass ich nicht nur überarbeitet sondern auch noch (bzw. mal wieder…) erkältet war.

Und plötzlich ist der Ofen aus. Während die Wochen vorher alles wie am Schnürchen lief, gerät mein wunderbares Ökosystem aus Arbeitsbelastung und Sportausgleich aus den Fugen. Während die Belastung größer wird, kann ich zeitlich kaum ein Training unterbringen und letztlich muss ich es wegen Erkältung ausfallen lassen. Aus Fugen werden Risse und ich finde mich plötzlich in einer Situation wieder, die ich mir nicht hätte träumen lassen.

Im Gegensatz zu den einleitend erwähnten Hardcore-Läufern gibt es durchaus auch Zeitgenossen, die durch den Sport und durch den inneren Lauschangriff etwas genauer hinhören. Genauer hinhören heißt nicht ein Hypochonder zu sein, sondern sich auch mal Dinge – die so in einem ablaufen – bewusst zu machen. Vieles kann man nicht lösen, aber bewusst machen hilft um Alternativen zu finden. Und so musste ich mir die Tage bewusst machen, dass mein Ruhepuls zum Unruhepuls wurde und ich unbedingt Schlaf brauche um die Kopfschmerzen los zu werden, dass der Kopf letztlich dem Körper einen Strich durch die Rechnung macht.

Oft vergisst man das, als Hobbysportler… viele trainieren wie die Berserker, aber kümmern sich „nebenbei“ um ihre Familie und arbeiten Vollzeit. So gibt es auch Tage ohne Trainingseinheit, die ganz klar nicht als Ruhetag durchgehen können. Auch wenn ich gut 1 Woche nicht gelaufen bin und hätte erholt sein müssen, ging einfach nichts – Totalblockade… und es ist erschreckend, wie schnell das geht.

Gestern habe ich den Lauf genutzt um den Ofen langsam wieder anzufeuern. Nicht locker und langsam sondern durchaus mit Tempo – das weckt Nachts um 20:00 Uhr die Lebensgeister, regelt alle verfügbaren Vernunftzentren nach unten und macht wunderbar müde. Das war der erste Schritt um wieder den Kreislauf herzustellen … aber die Lektion die ich dadurch gelernt habe, nehme ich hoffentlich etwas länger mit.

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