Beziehungsprobleme

Disclaimer: Achtung, Achtung – dieser Beitrag handelt nicht von Dingen, die Ausdauersportler tun um ihre Ehepartner in den Wahnsinn zu treiben. Also wenigstens nicht in erster Linie. Wir sind hier nicht im Klatschblatt und es gibt keine Paparazzi-Fotos oder sonstige Enthüllungen.

In Wirklichkeit geht es um etwas anderes. Ein klein bisschen geht es um #mimimi – ein anderes bisschen um die Frage, wie geht es weiter.

Warum aber dieser Titel? Kürzlich las ich bei Thorsten im Schweinehund Blog den Beitrag darüber, wie wichtig oder auch nicht der Marathon für den Hobby-Läufer ist. Also irgendwie ist das, was wir tun uns doch ganz wichtig, auch wenn die Wichtigkeit innerhalb unserer Filterblase immer noch stark variieren kann. Ich will nicht so weit gehen, dass wir mit unserem Sport verheiratet sind (man könnte aber meinen, manche Sportler wären es) – aber irgendwie führen wir so eine Art Beziehung mit dem Ausdauersport.

Es muss ja nicht immer ein amouröse sein, Beziehungen gibt es ja vielfältige. Freundschaftliche beispielsweise, oder ganz sachliche. Das was zwischen einem Wirt und seinem Parasiten passiert ist ja auch so ne Art Beziehung.

In dieser Zwischenwelt der Beziehungsstadien gibt es auch etwas, dass uns Ausdauerheinis betrifft. Der passende Status dazu bei mir aktuell: „Es ist kompliziert“

Die letzten Tage, seitdem ich wieder nach der Erkältung fit bin, verfolgen mich einige Gedanken, was auch damit zusammen hängt, dass ich mich eben zeitnah für die OP der weichen Leiste entschieden habe. Nach der langen Zeit des wartens und haderns … der Ungewissheit habe ich nun für Klarheit gesorgt.

Morgen geht es schon los. Also Morgen früh nüchtern zum Arzt, Blutwerte bestimmen lassen, Freitag zum Hausarzt, Vorgespräch und Befunde holen. Samstag OP-Vorgespräch mit dem Chirurgen und in einer Woche – am 20. April ist es schon so weit, da bekomme ich ein Netz in die rechte Leiste getackert.

Hier bitte #mimimi einfügen!

Ich mache keinen Hehl draus, ich habe Respekt vor der ganzen Geschichte und nehme das gar nicht so auf die  leichte Schulter, aber das sollte man auch nicht. OP ist OP … und mein „Leidensdruck“ ist inzwischen eben hoch genug um den Schritt zu gehen. Die Reaktionen meiner Twitter-Timeline waren mal wieder überwältigend. Nicht nur in der realen Welt, sondern auch virtuell stehen viele Leute hinter meiner Entscheidung. Das macht es auch leichter, das jetzt durchzuziehen.

Dennoch treibt mich aktuell tatsächlich eine andere Frage um, nämlich die – ob ich nicht vielleicht eine Beziehungsberatung für mein Hobby brauche.

Beziehungen sind ja häufig auch kompliziert … deswegen mögen wir sie. Die Beziehung zwischen mir und dem Laufsport, die war eigentlich 3 Jahre lang ziemlich einfach. Ich bin gelaufen wenn ich Lust hatte und das Laufen hat mitgemacht. Ich habe trainiert wann ich wollte oder konnte und es lief. Wenn es nicht lief, lag es häufig an meiner Motivation, dann lief es eben ein paar Tage später.

Laufen war die sichere Bank – auch nachdem ich mein Rennrad angeschafft habe, hab‘ ich mich stets als radfahrenden Läufer betitelt. Laufen war für mich das Ding, auf das ich mich verlassen habe. Wie es in manchen realen Beziehungen auch passiert, sicherlich nicht immer ganz sauber. Man verlässt sich zu sehr aufeinander und tut nichts mehr für sich. Nun hat die weiche Leiste tatsächlich nichts mit mangelndem Stabitraining zu tun, aber dennoch … ich hab das Laufen für zu selbstverständlich genommen … so lange bis es weg war.

Erst hat sich das Laufen nur umgesehen … aber irgendwann letzten Herbst ging es kurz Zigaretten holen und ist bis heute nicht wieder zu mir zurück gekommen.

Es waren schnell neue Freunde da, die hießen Krafttraining und Waterrower … aber mein alter Kumpel Radfahren … auf den konnte ich mich verlassen. Auf den konnte ich mich auch schon vorher verlassen, wenn ich nicht laufen konnte, weil ich es übertrieben hatte… war Radfahren für mich da. Als ich pausiert habe, sprang Radfahren ein und ermöglichte mir Ausdauertraining. Die ganze Zeit war Radfahren ein guter Freund und hat mich kein einziges mal im Stich gelassen.

Ich habe Laufen für 2016 abgeschrieben, ganz offiziell. Die kleinsten Funken Hoffnung sind inzwischen erstickt, die Wettkampfmeldungen abgesagt oder die Startplätze übertragen. Die Laufschuhe eingemottet im Keller und die Laufbekleidung sorgfältig gefaltet im Schrank. Die Stirnlampe mit leerem Akku im Regal und der Dienstreisekoffer leer ohne Sportbekleidung.  Ich habe auch meinen Trainingsplan gekündigt. Schlussstriche ohne Ende.

Ab nächsten Mittwoch zählt es aber. Der Chirurg meinte, nach ca. 2 Wochen könnte man mit leichtem Sportprogramm einsteigen. Am Samstag werde ich schon mal nachhaken, was das heißt. Aber ziemlich sicher, wird das eher der gute alte Freund Radfahren sein. Nur in 3-4 Wochen kommt der Zeitpunkt, an dem es zählt … kann ich wieder laufen?

Diese Frage treibt mich sowieso um, denn wenn ich dann immer noch Probleme hätte … ach … ich will gar nicht drüber nachdenken. 10% Chance, dass die Beschwerden bleiben meinte der Chirurg. Ich gewinne ja sonst nie was bei Gewinnspielen…

Aber irgendwann werd ich die Schuhe entstauben und wieder loslaufen. Dann werde ich 8 Monate nicht mehr richtig gelaufen sein, eine lange Zeit in der sich eine gewisse Fremde in meine Beziehung zum Laufen eingeschlichen hat.

Ich fühle mich verraten vom Laufen … hintergangen … wie konnte die beständige Beziehung zum Laufen nur so verkommen. Mein Vertrauen ist weg und ich fühle mich mit dem Gedanken, wieder zu laufen aktuell komisch. Radfahren war für mich da und ich bin eine treue Seele … ich renne nicht gleich der nächstbesten Sportart in die Arme!

Ich bin selbst gespannt wie es weiter geht. Wahrscheinlich versuche ich mit derartig komischen Gedanken nur meine Nervosität bezüglich der OP in Griff zu bekommen. Wie es weiter geht? Ich halte euch auf dem Laufenden (wenigstens hier läufts).

An dieser Stelle denke ich auch wieder an Thorstens Blogbeitrag und dem geschlagenen Haken, zu den Athleten die auch als Privatmann irrsinniges vollbringen. Job, Familie und Sport unter einen Hut bringen und dabei nicht gegen die Wand fahren. Diese Menschen tun das, weil sie sich selbst mit allen Bereichen in Einklang gebracht haben. Bewundernswert und in der Rückschau kenne und kannte ich diese Erlebnisse auch.

Aktuell kann ich das nicht bestätigen, vielleicht kommt dieser Zustand ja wieder … aktuell erlebe ich aber selbst im Hobby, das ich gerne wieder „einfach so“ ausüben möchte, ohne Frustmomente schon das Gefühl nicht im Einklang zu sein. Mal sehen ob ein Netz in der Leiste der erste Schritt ist, hier wieder für das richtige Wohlgefühl zu sorgen.

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12 Kommentare

  1. Natürlich ist das Netz in der Leiste der erste Schritt in die richtige Richtung. Und natürlich darfst du dir Gedanken machen, wann dein Laufen zurück kommt. Ganz ehrlich, ob du jetzt nach 2,3,4 oder erste nach fünf Wochen laufen kannst macht den Braten nicht fetter. Ich glaube mit einer gewissen Klarheit und Aussage „du kannst in 5 Wochen wieder laufen“ würdest du das ganze unterschreiben und Annehmen, aber die 10%…

    Die Situation annehmen wie sie ist, finde ich machst du mit diesem Artikel ganz prima. Und mit jedem Schritt Richtung OP kommst du vorwärts.

    Und die OP an sich wird schon. Spätestens wenn im Umkleideraum der Schweißausbruch kommt, dann dauert es nur noch wenige Augenblicke und du ratzt vor dich hin :-)

  2. Pass auf jetzt kommt es etwas sprituell ;) nicht vergraulen lassen :P

    Sieh das Netz nicht nur als Netz das dir in die weiche Leiste „gesetzt“ wird, sondern sieh es als Netz das dich auffängt und weich ;) fallen lässt. Es bremst den Strudel in deiner verkorksten Beziehung zum laufen und wenn du dich aus diesem Netz gekämpft hast – wie lang das auch immer sein mag – 2,3,4,5 Wochen, bist du auf dem Boden angekommen und bereit es hinter dir zu lassen, zu akzeptieren und der Beziehung neuen Schwung zu geben.

    Klingt komisch ;) aber so ist es nicht nur ein „Teil“ das dich auf neue/ alte bekannte Wege führt. Sondern kann etwas „schönes“ sein/ werden.

    Wie auch immer du das siehst, es ist auf jeden Fall der richtige Schritt. ;)

    • Ich werde von jetzt an, bis in alle Ewigkeit das Netz als Metapher auf die Probleme die ich hatte und dann nicht mehr haben werde sehen. Ausserdem bietet das ganze ja Potential für viele Gags. Beispielsweise hab ich dann ab sofort immer Netz! :-D

  3. Oh ich wünsche dir erst einmal alles Gute. Das Laufen und ich sind auch nicht mehr so gut… Ich laufe zur Zeit maximal 6km… das je nach Lust und Laune und selten öfter als 2x die Woche. Ich habe keine Uhr mehr um, laufe einfach schneckenlangsam und kann mir nicht vorstellen, dass ich wieder schneller werde. Aber ich habe mich arrangiert. Ich habe mein Rad, ich habe das Eisen vom Kraftsport. Und das versöhnt mich. 2016 ist auch nicht mein Wettkampfjahr – dabei sollte es das Jahr werden, wo ich einen Marathon unter 4h anpacken wollte. Aber es ist wie es ist… Alles hat seinen Sinn!
    Ich kann mich Eric anschließen.. das Netz wird dich auffangen!
    Und ich freue mich, von dir wieder einen Laufblog zu lesen! Und deine Pläne… und WEttkämpfe!

  4. So wie dich das (Twitter-)Netz unterstützt, wird dich das Netz in der Leiste stützen. Du wirst wieder in Form kommen (was nicht bedeutet, dass du zur Zeit unförmig bist…hihihi) und einen zweiten Lauffrühling erleben. Das Laufen will erobert werden…so ist das eben.

    Wie sagte schon John Steinbeck: „Die Kunst des Ausruhens ist ein Teil der Kunst des Arbeitens.“

    Und wenn du einen Wingmops brauchst…du weißt ja wo ich zu finden bin… ;o)

  5. Lieber Daniel, ich wünsche dir alles gute für deinen Schritt in den OP-Saal. Wenn dir die Beziehung zum Laufen nicht so wichtig wäre, würdest du diesen Schritt wahrscheinlich gar nicht tun. Umso mehr hoffe ich, dass es eure Beziehung rettet und Du bald wieder einsteigen kannst.
    Wie Du es schreibst… vielleicht ist Radfahren dein guter, zuverlässiger Kumpel. Aber die Leidenschaft erfährst du beim Laufen.

    Ich drücke dir fest die Daumen!

  6. Die beiden über mir haben sehr recht.
    Es ist die richtige Entscheidung. Und wie oft haben wir schon wieder angefangen.
    Das Laufen hat vielleicht nur mal ein Sabbatical eingelegt.
    Alles wird wieder,
    Wie heißt es so schön: „Manchmal kann man nichts machen, außer weiter.“
    Also einfach immer einen Fuß vor den anderen. Netz rein und dann läufts sicher wieder.
    Und wir sind alle da…Ich für meinen Teil hab mir nächsten Mittwoch sogar im Kalender markiert…#ausgründen

  7. Liebe Kommentatoren, Twitter Verfolger und Lauffreunde. Ich bin wirklich ganz gerührt von eurer Reaktion. Danke dafür. Und irgendwie bin ich ja auch langsam im Zugzwang. Nach so viel Verletzungscontent muss ich auch mal wieder was anderes hier abliefern.

    Dank schon mal fürs Daumen drücken.

  8. das wird schon alles wieder! Wir drücken dir alle die Daumen und? Das Radfahren kann auch ein toller Freund sein und dich fit halten! Immer schön entspannt bleiben. Gib dir die Zeit, die dein Körper braucht.

    • Danke dir. Geduld habe ich nun wirklich schon in fast allen Ausprägungen ausgetestet. Auf ein paar Tage mehr oder weniger kommt es nicht an.
      Schwieriger wird sein im Alltag die Geduld zu beweisen…. Aber was sind schon zwei Wochen.

  9. Mir wollte mein Körper und sogar Ärzte mal einreden, ich könne nicht mehr laufen. Es brach eine Welt zusammen und der Status ‚es ist kompliziert‘ könnte es nicht besser beschreiben. Aber irgendwann hatte ich sie dann wieder an: die Laufschuhe. Zwar ohne Ziel, dass du ja nun hast, aber immerhin. Das Radfahren habe ich so noch mehr lieben gelernt, als perfekte und schonende Alternative. Das Laufen und ich führen immer noch eine innige Beziehung, die aber auch mal hin und wieder kühlere Zeit benötigt, um meinen Körper zu schonen. Auf jeden fall dir auch an dieser Stelle alles Gute und auf dass du bald wieder die Schnürsenkel von deinen Lieblingstretern schnüren kannst!

    • Bisher war die Beziehung recht konstant, eher gab es mal so hitzige Streits … heute beleidigt, Morgen wieder alles gut. Also mal sehen wie langfristig gestört mein Verhältnis ist.

      Andererseits weiß man eben, was man vermisst und worauf man sich freut, auch wenn ich so viele Ziele abgeschrieben habe. Sicher geht es nicht so weiter wie vor 9 Monaten, aber der Ausgleich ist da und wenn man gar keine Fortschritte gemacht hat, kann man sich auch über die kleinsten Schrittchen wieder freuen :-)

      Die Lieblingstreter muss ich übrigens erst alle mal wieder suchen … kein Spaß, die sind fast alle im Keller verstaut.

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