Into the wild

Die Geschichte des vergangenen Wochenendes könnte ich aus so vielen Perspektiven erzählen. Aus der Perspektive des Businesskapers, zum Beispiel, der sehr oft unterwegs war und sehr wenig Zeit hatte sich dem Training zu widmen. Oder der Perspektive des Ausdauersportlers, der sich im Endorphinrausch angemeldet hatte um dann festzustellen, dass das Leben auch noch ein Wörtchen mitzureden hat. Oder die Perspektive als Familienvater, der versucht die knappe Freizeit mit Familie und den haushaltlichen Dingen im Einklang zu bringen.

Viele Sichtweisen auf ein und die selbe Zeit. Ich habe mich aber für eine ganz besondere Perspektive entschieden. Meine eigene!

Auch wenn ich gerne schreibe ist es nicht immer einfach, all das was mir durch den Kopf geht auch wirklich so aufzuschreiben, dass es mich zufrieden macht. Ich bemühe mich sehr oft darum – manchmal mit sehr großem Erfolg – meine Emotionen und Gedanken in Worte zu fassen, sie les- und damit spürbar zu machen. Irgend etwas in mir sagt mir, dass es diesmal nicht so einfach wird.

PAGT17 – P42 Glacier Trail

Das ich den Pitztal Alpin Glacier Trail laufen wollte, hatte ich letztes Jahr sogar der Mietze ins Blog diktiert, aber ehrlich gesagt gar nicht weiter verfolgt. Dieses Jahr war durchgeplant … naja fast.

Bis ich am Vorabend des ZUT auf der Pasta Party diesen einen Flyer in die Hand gedrückt bekam. Ich steckte ihn weg, aber lies ihn nicht liegen. Das was da drauf stand versprühte eine gewisse Magie und ich dachte ja schon vorher mal an den PAGT.

Was beim ZUT passierte ist für mich schon Geschichte. 11,5h auf den Beinen, längster Lauf überhaupt. Krasses Ding. Rückkehr in die normale Welt war irgendwie nicht so ganz möglich. Verschobener Blick. Sehnsucht nach Bergen. Grenzüberschreitungen!

Was danach folgte war auch geprägt von meiner Erfahrung rund um die Zugspitze. So wie ich losgelaufen bin, kam ich nicht in Grainau an. Es folgten Wochen in denen ich Dinge ändern wollte und musste. Im Job, privat für mich. Dabei war ich schon ziemlich schnell für den PAGT P42G gemeldet.

Mein Leben stellte sich plötzlich selbst auf den Kopf. Einiges an Dienstreisen, ich legte einen kompletten Kurswechsel in  manchen Bereichen hin, ich machte mir viele Gedanken über mich. Versuchte mich darin den Stress zu bändigen und wieder den Blick auf die Dinge des Lebens zu lenken.

In Zahlen (des Ausdauersportlers und Neu-Ultraläufers) ausgedrückt, lief ich nach dem ZUT 16x innerhalb von 7 Wochen. Im Juli reichte es damit für 10 Läufe, Alternativsportarten Fehlanzeige. Sei das Training noch so gut gewesen, wir sind uns einig – was nach dieser Zeit und nach so einer harten Belastung bleibt ist nur Grundlagenausdauer. Einzig mein mentaler Trainingszustand blieb weiterhin auf höchstem Niveau.

Allerdings verlor ich den PAGT17 etwas aus den Augen. So kam es, dass ich Donnerstag Abend um kurz vor 20:00 Uhr von einer Dienstreise Zuhause ankam und noch nichts gepackt war (wir hatten einen Kurztrip mit der Familie geplant) und ich eher das Gefühl hatte am besten gar nicht zu starten. Im Job zwei Tage Vollgas, kein Training … und dann alpin Laufen? Das klang für mich einfach zu verrückt.

Andererseits brannte mein inneres Feuer, weil ich mir die letzten Tage vorher bewiesen habe, wie ich Ziele erreichen kann. So grübelte ich zwischen „jetzt willst Du also einer dieser Läufer sein, die schlecht vorbereite an den Start gehen“ sowie „naja runtermelden kannst Du ja vor Ort immer noch“ bis zu „tu es … mehr den Kopf frei bekommen kannst du nicht“.

Da das Hotel bereits vorab bezahlt war blieb glücklicherweise die Option „daheimbleiben“ direkt aussen vor und wir setzten uns am Freitag in Bewegung ins Pitztal.

Gehirnwäsche auf höchstem Niveau

Anfangs noch grübelnd und noch ziemlich im Arbeits-hier-und-jetzt verwurzelt rollten wir auf München zu, dann durch und Richtung Garmisch. Selbst als ich die Berge erblickte, war da nicht dieses „woah“ Gefühl, dass ich sonst habe. Kein Flashback zum ZUT, einfach nur Gedanken.

In Garmisch machten wir eine kurze Pause und ich sah mich in der Stadt um die für mich auf einmal ganz anders wirkte als vor 7 Wochen. Alles voller Touristen und keine Trailrunner. Alles so hektisch. Schnell weiter Richtung Fernpass. Auf dem Weg darüber wurden Kindheitserinnerungen an unzählige Jahre Österreichurlaub wach und damit waren die Gedanken fast verschwunden.

Jeder Kilometer näher ans Pitztal erleichterte mich und die Fahrt in das Tal führte mit jedem Höhenmeter mehr dazu, dass ich noch lockerer wurde. In Mandarfen angekommen hegte ich keine Zweifel mehr. Der Blick zu den Bergen, diese Natur … alles. Ich wollte doch da laufen, da drücke ich mich nicht, komme was wolle.

Also schnell den Rucksack gepackt und zur Ausrüstungskontrolle. Danach Startnummer holen, Bändchen an den Arm und auf einmal fühlt sich alles so richtig an. Zweifel an dem, was ich da vorhabe? Fehlanzeige!

Vor dem Briefing sehen wir noch Maty und Ulf auf einen kurzen Plausch, ansonsten ist der PAGT17 unter Twitterern spärlich bestückt. Schnell noch die Infos für die Strecke holen. Ein wenig mulmig wird einem schon wenn man ein DIN A4 Blatt mit Verhaltensweisen bei Gewittern hat und da auch noch darauf eingegangen wird. Andererseits darf man ja für den Lauf auch eine Bergrettungsversicherung abschließen. Warum … wer das wissen will, darf mich gerne ansprechen, ich helfe beim erklären … Freitag Abend spielte das noch keine große Rolle.

Danach ging es ins Hotel, einchecken, Abendessen mit der Familie und rechtzeitig ins Bett. Der Lauf startet um 5:30 Uhr – mein Wecker stand auf 3:30 Uhr.

Into the wild

Es ist 4:30 Uhr, ich stehe in Mandarfen auf dem Dorfplatz und das Licht der Leinwand erhellt den Platz. Um mich herum stehen ca. 180 Läufer die mit mir auf die 42km Runde des P42 G (G für Glacier) gehen wollen. Eine Mitläuferin fragt mich, ob ich von ihr ein Foto machen könne – konnte ich. Ansonsten stehe ich da und fühle ich etwas deplatziert.

Vielleicht weil ich es zu diesem Moment mental auch bin. Es ist dunkel und auf dem Weg zum Start habe ich hoch oben in den Bergen die roten und weißen Lichter der P85/P100 Starter gesehen. Gänsehautgefühl. Im Gegensatz zum ZUT wo man das Spektakel Abends verfolgt, hier eben am Morgen. Die Läufer sind schon ca. 1h auf den Beinen aber immer noch vom Dorf aus zu sehen.

Startschuß, loslaufen, losschnaufen. Ich versuche auszublenden wie mein Trainingsstand ist, das ich die ganze Woche nicht gelaufen bin, das ich innerhalb 7 Wochen nur einmal hügelig unterwegs war und es nur für eine lange Einheit (30km flach) gereicht hat. Ich pole mich auf die mir einzig richtig erscheinende Einstellung – laufe das Ding wie einen Ultra. Kraft sparen, Kräfte einteilen.

Also lasse ich mich, trotz Start in der hinteren Hälfte noch etwas durchreichen. Auch weil mein Körper im jetzigen Zustand einfach noch nicht bereit ist Laufleistung zu erbringen. Es fühlt sich alles so schwer und träge an. Es ist kurz nach 5 Uhr Morgens, ich starre in meinen Kegel der Stirnlampe und laufe mit der Trailrunnerherde. Am Start sagte der Moderator es ginge gut 5km Hoch bis zur Scharte am Mittagskogl. 5km … dann kann es nicht lange flach dahingehen.

Und tatsächlich schnell verschwinden die Läufer vor mir im Wald. Hier wo es noch matschig ist schlängelt sich der Trail zügig nach oben, mein Puls geht mit – ich bemerke das ich mitkomme, aber es ist anstrengender als ich wollte. Als wird die Baumgrenze überwinden stehen auf meiner Uhr schon über 300 Höhenmeter, ich drehe mich um und blicke ins Tal. Sehe Wolken und drunter der Ort, die Lichter sind noch an. Gänsehautanblick. Ich lasse ca. 10 Läufer vorbei, ergattere aber dafür die ersten Fotos des Tages vom Trail.

An dieser Stelle merke ich schon, das es besser ist weder nach oben noch nach unten zu gucken. Ich bin einfach noch nicht bereit für das was um mich passiert. Mir wird sofort schwindelig und das ist keine gute Sache. Also schalte ich um auf Durchsturmodus. Innerlich sage ich mir gefühlte 100x Mantra, formuliere meine Ziele und bringe den Kopf auf Betriebstemperatur.

Die erreicht auch langsam der Körper. Ich halte gut mit der Gruppe mit, vor mir zögern einige beim überqueren von Geröllfeldern. Ich tipple darüber und steige einfach immer weiter mit nach oben. Der Puls geht mit, aber noch alles gut.

Was dann folgt ist mit Worten schwer zu beschreiben, es ist aber der Punkt an dem mir klar war, wie ich auch diesen Blog hier betiteln und beschreiben möchte. Für mich als Mittelgebirgsbewohner der in einer relativ dicht besiedelten Ecke wohnt ist es ein krasses Erlebnis mit eigener Körperkraft auf über 3000 Meter über den Meerespiegel aufzusteigen. Dort oben ist es rauh und da spürt man noch das, was man Wildnis nennt. Großteils unberührte Natur und ein Rundumblick, der das bestätigt. Alles was von Menschenhand gemacht wurde, ist – wenn überhaupt – so klein, das es kaum in den Blick fällt.

Ein unbeschreibliches Gefühl.

In mir steigt eine Euphorie hoch die ich gut gebrauchen kann, denn der Aufstieg zur Scharte am Mittagskogl ist nichts, aber auch gar nichts, was ich Trailrunning nennen würde. Sollten hier Bergsportler mitlesen, könnt ihr mich gerne auslachen. Aber das würde ich eher Bergsteigen nennen. In engen Kehren geht es nach oben, irgendwo klingeln Glocken und es blöckt.

Tatsächlich auf knapp 3.000HM stehen mehrere Ziegen im Geröll. Viel Gras finden sie da nicht. Aber irgendwie müssen sie ja da hochgekommen sein. Es ist surrealistisch … einen Blick nach unten traue ich mich nicht. Nach oben sehe ich nur Berg – aber die Ziegen, die höre ich.

Ich werde nicht überholt und der Abstand zum Vordermann bleibt. Hier geht es extrem knackig zur Sache. Je weiter ich nach oben komme um so mehr. Geröll, Steine, hier bringen die Stöcke nichts, hier muss man sich am Stein festhalten um nach oben zu kommen. Oben sehe ich zwei Streckenposten, das zieht mich … und dann … auf einmal geschafft. Über 3.000 HM – die Luft hier solle dünn sein. Ja – mein Herz rast, aber ich kann gar nicht sagen weswegen. Wegen dem Aufstieg oder doch wegen der dünnen Luft?

Es geht über Geröllfelder abwärts zur Bergstation des Gletscherexpress wo die erste Labestation wartet. Inzwischen habe ich schon jegliches Zeitgefühl verloren. Immer wieder blicke ich mich um und sehe diese wahnsinnige Gegend. Da oben sieht man natürlich auch, was ein extrem genutztes Wintersportgebiet aus der Natur macht. Das krasse Gegenteil davon, was man sieht bevor man über die Scharte kommt. Gegensätze!

Nach kurzer Verpflegung geht es abwärts Richtung Gletscherquerung. Hier lässt es sich locker laufen, was ich auch tue. Danach werden die Schneeketten angelegt und eines der Highlights kommt. Die Querung des Pitztaler Gletschers. Für so einen Stadtmenschen natürlich etwas ganz besonderes.

Als nächstes folgt ein zauberhafter Teil schön auf und ab, mal geröllig, mal trailig Richtung Braunschweiger Hütte. Ich genieße und bin ganz im hier und jetzt. Wo auch sonst – Berge, Sonne, Trail.

Das Pitztal liegt zu Trailrunners Füßen. Es sind so wenig Menschen um einen herum. Irgendwo läuft immer mal einer vor oder hinter einem. Aber ansonsten ist da Mensch und Berg.

Es geht bergab, das erste mal so richtig. Seilversicherte Steige, große Blöcke. Wie so oft an diesem Tag geht es auf einer Seite mal eben ziemlich bergab.

In der ferne hört man Wasser rauschen und ich laufe immer näher darauf zu. Das alles schießt aus dem Gletscher und stürzt tosend ins Tal. Der kleine Mensch läuft nebenher und steigt in der Nähe des Wasserfalls bergab. Ein Erlebnis mit Gänsehautgarantie. Die Steine sind rutschig und Nass, aber der Blick klebt am Wasserfall, an dem ich entlang nach unten steige, die Wanderer die mir entgegen kommen (einige sehe ich später wieder) grüße Freundlich und feuern mich an.

Zusammen mit dem tosenden Wasser bewege ich mich auch langsam wieder Mandarfen entgegen. Zwischenzeitlich wagte ich mal einen Blick auf die Uhr. Die zeigt die Zeit an, die ich für einen lockeren Staßenmarathon bräuchte. Die Streckenkarte meint irgendwas um 15km. Tja – hier laufen die Uhren anders.

Zu diesem Zeitpunkt gibt es für mich schon keinen Zweifel mehr, das ich kein Abkürzung nehme. Ich werde zu Ende laufen, nicht aussteigen, sondern das alles will ich erleben. Bergab geht es Richtung Mandarfen und ich überhole einen Aussteiger, der an der Labe sagt, ihm wäre es zur hart. Kann ich verstehen, aber mein Kopf ist inzwischen hellwach und bereit das zu tun, was er gut kann – durchsturen.

Kurz biege ich noch im Ort auf die Toilette ab und mache mich dann auf den zweiten Teil der Runde. Inzwischen ist es ziemlich warm geworden und die vielen kleinen Serpentinen hoch zum Rifflsee fühlen sich unendlich an.

Leider habe ich an der Verpflegung zwei Fehler gemacht. Einerseits nur Cola getrunken, andererseits hab ich unverdünntes Magnesiumgetränk mitgenommen. Ich kämpfe mich also den Anstieg zum Rifflsee nach oben, es ist mir viel zu heiß und ich habe nur 0,5l trinkbares. Mir gehen die Kräfte aus. Ich werde von drei Leuten überholt und mir scheint der Anstieg nimmt und nimmt kein Ende. Ich ziehe mein Shirt aus und laufe im Unterhemd weiter … so warm!

Gefühlt muss ich nach jeder 4. oder 5. Kehre stehenbleiben. Über mir surren die Gondeln der Rifflseebahn nach oben, ich denke mir, kann ja nicht mehr weit sein, die Gondeln verschwinden da ja. Naja, fast – es geht weiter nach oben und die Strecke wird wieder steiler Richtung Rifflseealm. Ich bin in einem Loch – ich habe Durst aber nichts zu trinken und keinen Appetit. Mich treibt die Vorstellung meine Familie an der Sunna Alm zu sehen und der Wunsch nach Verpflegung und einer Pause.

Ich kämpfe mich hoch, sehe den Rifflsee und weiß, gleich bin ich an der Labe. Dort angekommen nimmt mich Frau und Kind in Empfang. Ich fülle meine Softflasks auf, trinke viel Wasser und Cola, verpflege mich mit Laugengebäck und Schokolade mit Salz. Dann etwas sitzen, quatschen und Kräfte sammeln. Die nächste Labe kommt erst in 14km. In diesem Gelände ist das ganz schön weit.

Mit frischer Kraft geht es runter zum Rifflsee und einmal halb rum. Am hinteren Ende stehen Maty und Ulf als mobiles Stimmungsnest. Es geht weiter Richtung Plodersee. Schöne wellige Trails, seit langem für mich auch wieder richtig laufbar. So schwebt man dahin über dem Rifflsee. Ich fühle mich wieder gut und bin guter Stimmung.

Der Weg schraubt sich hoch und ich habe inzwischen keine Orientierung mehr. Weder zeitlich noch bezüglich der Distanz. Ich bin irgendwo da oben in den Bergen, noch 10-15km vom Ziel entfernt, was noch 3 bis 5 Stunden dauern kann, wer weiß das schon. Mein Kopf treibt mich noch vorwärts, ausser wenn es bergab geht, denn hier ist mein großes Problem schon spürbar. Abwärts kann ich nur noch gehen und selbst das tut weh.

Als nächstes folgt der Fuldaer Höhenweg. Grandioses Panorama. Es ist weiterhin sehr warm und ich merke, dass mir meine Getränke niemals bis zum Taschachhaus reichen werden. Unterwegs fülle ich die Softflasks zweimal an Bergbächen. Allerdings gehen mir die Kräfte aus. Deswegen setze ich mich 3-4x einfach auf einen Stein und genieße die Berge. So sitze ich da, keiner läuft oder wandert vorbei und ich sitze da und bestaune die Wildniss. Im Tal unten sehe ich einen Weg. Das muss der Weg zurück ins Ziel sein – aber ich bin so weit oben, dass ich da unten keinen Menschen erkennen kann. Viel zu klein ist so ein Mensch – genauso geht es mit mir, selbst dort wo ich weit gucken kann sehe ich vor mir fast niemanden – nur an exponierten Stellen. Auch hinter mir nichts zu sehen.

Immer wieder mal blicke ich auf das Höhenprofil und man sieht noch eine Spitze vor dem Taschachhaus. Der Panoramastieg. Seilversichert. Ohne die Vorgeschichte hätte ich sicher auch das Panorama genossen, aber so musste ich mich mit viel Kraft nach oben ziehen. Es ging fast nichts mehr. Das Taschachhaus blickt von der anderen Seiten herüber, aber ich wusste, dass ich noch mindestens eine halbe Stunde entfernt war.

Kaum oben, ging es wieder abwärts und damit war ich gebremst unterwegs. Inzwischen hat mich ein recht frisch aussehender Wanderer überholt. Ernüchternd. Aber das Taschachhaus ist im Blick, drumherum die Gletscherwelt und einfach unglaubliche Ausblicke.

Also kämpfe ich mich weiter voran, ich laufe sogar auf einen anderen Läufer auf. Ab zum Taschachhaus, ab zur Verpflegung. Ab hier geht es nur noch bergab – nicht wirklich verlockend finden meine Beine. Aber erst mal viel trinken und etwas essen.

Auf der Terasse sitzen Gäste und verspeisen Kaiserschmarrn. Aber darauf hätte ich keinen Hunger. Inzwischen habe ich sogar gezweifelt den Cut-off zu schaffen. Auf dem Wanderwegweiser steht aber Mandarfen 2,5h – selbst wenn ich so lange brauchen würde, käme ich noch in der Zeit an.

Ich fasse meine ganzen Gedanken und überzeuge meinen Körper, dass es jetzt Zeit ist die gesparte Energie freizusetzen. Ich mache mich an den Abstieg und überhole ein paar Wanderer. Ein gutes Zeichen. So gut es geht laufe ich bergab obwohl meine Beine bei jedem Schritt so schmerzen.

Ich höre ersten Donner und blicke mich um, ein paar Tropfen treffen mich – ich beschließe das Tempo bergab etwas zu erhöhen. Ich überquere die Muräne des Gletschers und mache mich auf den Weg Richtung Tal.

Der Trail endet und es folgt eine Schotterstraße. An Laufen wollte ich gar nicht denken, ich nahm mir strenges marschieren vor um mein Ziel zu erreichen, aber der Kampfgeist war geweckt. So fiel ich in einen Trab und lief vor mich hin. Manchmal ging ich ein Stück, aber der Gedanke an meine Familie, an den Zieleinlauf, an eine Dusche zogen mich wie ein Magnet Richtung Mandarfen.

Oben in den Bergen schepperte der Donner kräftig und nun begann der Regen auch bei mir im Tal. Erst wieder ein Stück gehen, dann laufen, dann gehen dann laufen. Ich hörte den Sprecher im Zieleinlauf. Nun nur noch wenige Minuten.

Von der Taschachalm abwärts Richtung Mandarfen. Am Ortseingang sah ich meine Familie stehen und ich war so froh. Mein kurzer, der Nachmittags selbst sogar den Kids-Trail gefinisht hatte begleitete mich ein Stück und meine Frau nahm mich im Ziel in Empfang.

Nach 12 Stunden und 51 Sekunden war dieser irre Ritt vorbei. Dieses irre Ding. Ohne Training und einfach so … nein … sicher nicht einfach so. Ich bin nicht für die Zeit gelaufen oder die Platzierung (so weit hinten war ich noch nie), sondern für mich.

In den Bergen laufen, Abstand zum Alltag gewinnen, neue Erfahrungen machen. Das alles in nur 12h.

Selten hatte ich das Gefühl so schnell erholt zu sein. Ein Kurztrip wie dieser und ich fühle mich heute als hätte ich eine Woche Urlaub gehabt. Dieses Pitztal ist ein besonderer Ort, ein Wilder Ort – ein Ort an dem ein einzgier Mensch nur ein kleiner Punkt im Panorama der ganzen 3.000er ist.

Vielleicht auch wegen dem komplett fehlenden Ehrgeiz war ich so unglaublich zufrieden im Ziel. Ich machte einen Luftsprung (noch nie dagewesen!) und war voller Euphorie nach dem Finish. Sicher wäre es mit der ZUT-Form hier angenehmer gewesen und vielleicht sogar noch schöner, aber ich habe auch dieses mal viel über mich gelernt.

Eines auf jeden Fall, alles was ich vorher gelaufen bin ist Kindergeburtstag gewesen. Aber vielleicht war es auch das, was ich gebraucht habe. Einen Boden der Tatsachen. Höher, schneller, weiter – darum geht es so oft. Aber beim PAGT ging es mir ums draussen sein, in den Bergen sein, laufen, ich sein, Natur – Ruhe. Allein diese Momente im „Wettkampf“ einfach am Streckenrand sitzen und die Natur bestaunen hat mich einiges gelehrt, über den Drang ständig etwas mehr leisten zu müssen.

Muss man nicht. Man muss auch nicht mit so wenig Training diesen Lauf machen. Muss man nicht. Aber vielleicht muss man ihn machen, wenn man mal Distanz zum Alltag braucht. Raus aus dem üblichen.

Ich für meine Teil bin wieder ein Stück weiter. Ich weiß, dass ich den Lauf nochmals laufen will, ich weiß, dass ich vielleicht auch nochmal mit der Familie – der das Wochenende sehr gut gefallen hat – hier hin will. Ich weiß, dass ich wieder laufen will und zwar immer noch in der Natur, in den Hügeln. Trails. Ich habe so ein Gefühl, dass ich nächstes Jahr nicht mehr bei Straßenwettkämpfen zu finden sein werde und vielleicht auch nur noch wenige, aber ganz besondere Startnummern tragen will. Ich weiß, dass gibt mir so viel … und ich weiß, dass ich dazu dieses Hobby brauche, das ich sonst so gerne mache und das ich die letzten Wochen geopfert habe. Ich weiß, das ich es nicht hergeben will … denn nur dieses Hobby ermöglicht mir solche Wochenenden.

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7 Kommentare

  1. Wow, was für eine tolle Geschichte und was für großartige Bilder! Ich bin echt ein wenig neidisch, aber freue mich total für dich. Und um Martin zu wiederholen: Will ich auch! :-)

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